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Anna Christmann

In welche politische Richtung wirkt die direkte Demokratie? Rechte Ängste und linke Hoffnungen in Deutschland im Vergleich zur direktdemokratischen Praxis in der Schweiz

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2009 (Studien zur Sachunmittelbaren Demokratie 6); 121 S.; 24,- €; ISBN 978-3-8329-4204-5
Theorie und Praxis der direkten Demokratie werden erstaunlich widersprüchlich wahrgenommen: Ausgangspunkt der knappen, jedoch äußerst instruktiven Studie ist die Diskrepanz der deutschen Debatte einerseits und der direktdemokratischen Praxis andererseits. Christmann zeigt anhand von Umfragen bei Bundestagsabgeordneten und Schweizer Nationalräten die kurioserweise spiegelverkehrte Wahrnehmung. In Deutschland setzt insbesondere die Linke Hoffnungen auf politische Veränderungen durch die Mechanismen der direkten Demokratie, verbunden mit positiven partizipatorischen Erwartungen, während das bürgerliche Lager eher Befürchtungen und Ängste formuliert, oft gestützt auf das allerdings seit langem widerlegte historische Argument der angeblich negativen Weimarer Erfahrungen mit der direkten Demokratie. Die direktdemokratische Praxis in der Schweiz, aber auch in anderen Staaten, zeigt dagegen eine völlig andere Wirkung als es die linken Hoffnungen vermuten lassen: Direktdemokratische Mechanismen haben interessanterweise tendenziell einen strukturkonservativen Effekt. Speziell das Beispiel der Schweiz zeigt, dass sich politische Reformen dort weit schlechter durchsetzen lassen als in rein repräsentativen Demokratien. Dementsprechend stehen, anders als in Deutschland, in der Schweiz die auf der Rechts-Links-Achse eher links verorteten politischen Parteien der direkten Demokratie deutlich skeptischer gegenüber als die rechten. Über die Jahre betrachtet, ist in der Schweiz Rot-Grün eher Verlierer als Gewinner bei Volksabstimmungen. Hinzu kommt ein weiteres: Die Legitimation politischen Handelns mag durch die direkte Beteiligung der Bürger zwar – so die Hoffnung – möglicherweise größer sein, allerdings ist die Partizipationsrate der Bürger im Vergleich zu anderen westlichen Demokratien deutlich schwächer (durchschnittliche Wahl- und Stimmbeteiligungen zwischen 20 und 50 Prozent), und die Effizienz und Geschwindigkeit politischen Handelns sind geradezu sprichwörtlich langsam.
Burkard Steppacher (BKS)
Prof. Dr., Konrad-Adenauer-Stiftung; Forschungsinstitut für Politische Wissenschaft und Europäische Fragen, Universität zu Köln (http://www.jeanmonnetchair.uni-koeln.de/index.php?id=252).
Rubrizierung: 2.21 | 2.32 | 2.5 Empfohlene Zitierweise: Burkard Steppacher, Rezension zu: Anna Christmann: In welche politische Richtung wirkt die direkte Demokratie? Baden-Baden: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/30622-in-welche-politische-richtung-wirkt-die-direkte-demokratie_36365, veröffentlicht am 23.06.2009. Buch-Nr.: 36365 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken