Institutionalisierung politischen Handelns. Analysen zur DDR, Wiedervereinigung und Europäischen Union
M. Rainer Lepsius, zuletzt Ordinarius für Soziologie an der Universität Heidelberg und Mitherausgeber der Max‑Weber‑Gesamtausgabe, hat in diesem Band 16 seiner Aufsätze aus den Jahren von 1994 bis 2013 zusammengestellt, die sich in unterschiedlichen Bezügen mit der Analyse von Institutionen befassen. Zweifellos gehört der Institutionenbegriff zum klassischen Inventar soziologischer Kategorien – allerdings wird er gerade auch in sozialwissenschaftlichen Debatten vielfach so breit verwendet, dass dessen begrifflicher Gehalt „theoretisch amorph“ (13) zu werden droht. Deshalb behandelt Lepsius mit gutem Grund im ersten Teil seiner Aufsätze begrifflich‑theoretische Aspekte der Institutionenanalyse. Er besteht auf der Differenz von Organisation und Institution und hebt die spezifischen Problemstellungen hervor, auf die Institutionalisierungen antworten. An Webers Begriff der legitimen Ordnung anknüpfend versteht Lepsius Institutionen als verhaltensstrukturierende Etablierung von Leitideen, für deren Analyse fünf Dimensionen relevant sind: Rationalitätskriterien der Handlungsorientierung, Ausdifferenzierung von Handlungskontexten und Sanktionsmitteln, Verarbeitung von Institutionalisierungsfolgen und schließlich Vermittlung zwischen verschiedenen institutionellen Verhaltensräumen. Von diesem analytischen Rahmen geleitet setzen sich die folgenden Aufsätze mit konkreten institutionellen Ordnungen und Institutionalisierungsprozessen auseinander. Drei Abhandlungen beziehen sich auf die Institutionen der DDR – primär unter dem Gesichtspunkt strukturell verankerter Widersprüche und Handlungsblockaden. Die institutionelle Formung der Wiedervereinigung wird in vier Aufsätzen diskutiert; in diesem Zusammenhang betont Lepsius – wiederum im starken Kontrast zur DDR – das postnationale, plurale Institutionengefüge der Bundesrepublik. Die abschließende Gruppe von Abhandlungen gilt der Institutionalisierung der Europäischen Union. Hier formuliert Lepsius – auch mit Blick auf die Krisen der vergangenen Jahre – anregende Thesen zur EU als Nationalitätenstaat und zur Bedeutung eines europäischen Parteiensystems.