Skip to main content
Thomas Kroll / Tilman Reitz (Hrsg.)

Intellektuelle in der Bundesrepublik Deutschland. Verschiebungen im politischen Feld der 1960er und 1970er Jahre

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2013; 270 S.; kart., 44,99 €; ISBN 978-3-525-30045-9
Egal ob die Geschichte der Bundesrepublik als Krisen‑ oder Kontinuitätsgeschichte geschrieben wird, die 1960er‑ und 1970er‑Jahre nehmen darin eine Schlüsselstellung ein. Die Herausgeber blicken auf eine neue Generation von Intellektuellen, die den Umbruch der „1968er“ symbolisieren: Worin liegen ihre Differenzen zu den Gründervätern und ‑müttern der Bundesrepublik? Welche (auch semantischen) Verschiebungen intellektuellen Wirkens gilt es stärker herauszuarbeiten? Der Historiker Thomas Kroll und der Wissenssoziologe Tilman Reitz umschiffen dabei die Nachteile eines solch heterogenen Sammelbandes, der aus einer interdisziplinären Tagung an der Universität Jena im September 2011 hervorgegangen ist, mit der Forderung nach weiteren exemplarischen Einzelstudien, für die zunächst nur Stichworte herausgearbeitet werden können. Methodische Brücken zwischen den Disziplinen der Herausgeber sollen das „Wechselspiel von Rollenbildern und Strukturbedingungen“ (14) mit einer strukturanalytischen Betrachtung von Intellektuellen‑Typologien verbinden. Dass zu einer Theorie der Intellektuellen dann Wolfgang Eßbach und Ingrid Gilcher‑Holtey allein beitragen, nimmt dem Band nichts von seiner überzeugenden Fragestellung und Gliederung, die, neben Ideen und Entwürfen im zweiten Abschnitt, dann auch Vernetzungen, Medien und Institutionen von Intellektuellen im dritten Teil enthält. Eßbach macht sich für eine Selbstbefragung der Intellektuellensoziologie stark und fordert danach eine „Klassenanalyse der Intellektuellen“ (40). Mit dem Typus des „Bewegungsintellektuellen“ besetzt Gilcher‑Holtey einen Zwischenbereich zwischen dem „öffentlichen“ (50) und dem Gelehrtenintellektuellen. Daran lassen sich politische Mobilisierungsprozesse abbilden. Als ein Beispiel führt sie Rudi Dutschke an, der mit seinem besonderen Charisma zur direkten Aktion aufrief. Dass im gewandelten Verständnis von Theorie und Praxis der geistige Ursprung jener neuen Intellektuellen liegt, muss weiter unterfüttert werden. Zu berücksichtigen sind – wie in den weiteren Beiträgen deutlich wird – der biografische Kontext und der öffentliche Resonanzraum der Intellektuellen.
Ellen Thümmler (ET)
Dr., Politikwissenschaftlerin, wiss. Mitarbeiterin, Institut für Politikwissenschaft, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 2.3132.3312.365.462.3 Empfohlene Zitierweise: Ellen Thümmler, Rezension zu: Thomas Kroll / Tilman Reitz (Hrsg.): Intellektuelle in der Bundesrepublik Deutschland. Göttingen: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37793-intellektuelle-in-der-bundesrepublik-deutschland_44256, veröffentlicht am 20.11.2014. Buch-Nr.: 44256 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken