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Paul Pachernegg / Christine Pichler / Christine Pilz / Dieter Reicher / Daniel Semper (Hrsg.)

Internationale Beziehungen aus der Perspektive nationaler Öffentlichkeiten. Beiträge zur Soziologie internationaler Beziehungen

Wien/Berlin: Lit 2011 (Austria: Forschung und Wissenschaft – Soziologie 11); II, 165 S.; 19,90 €; ISBN 978-3-643-50279-7
„Es gibt“, so schreibt Dieter Reicher für die Herausgeber in der Einleitung zu diesem Sammelband, „keine ‚Soziologie internationaler Beziehungen’ (SIB), die gegenüber der Politikwissenschaft eine eigenständige Programmatik aufweisen würde“ (1). An diese Feststellung schließen sich mindestens zwei Fragen an: Ist das schlimm? Und wie sähe eine solche Programmatik aus? Da die Herausgeber betonen, es ginge ihnen gerade nicht um den Entwurf einer soziologischen Programmatik der internationalen Beziehungen in Konkurrenz zur Politikwissenschaft, kann es in diesem Band nur um die Beantwortung der erstgenannten Frage gehen – und das auf dem Umweg der Feststellung einer etwaigen Perspektiverweiterung. Gelingt es der Soziologie tatsächlich, Fragen und Phänomenbereiche aufzutun, für die die Politikwissenschaft blind ist? Nach Lektüre der einzelnen Beiträge lässt sie sich bedingt mit Ja beantworten. So ist etwa das Thema internationaler Spitzensport, das Paul Pachernegg in seinem Beitrag als globales Phänomen des 21. Jahrhunderts vorstellt, in der Politikwissenschaft weniger prominent vertreten als andere Themenfelder der internationalen Beziehungen. Insbesondere der Spitzenfußball erweist sich in soziologischer Betrachtung als ambivalent: Einerseits trägt er zur globalisierten Standardisierung von Sport bei: überall die gleichen Regeln, die gleichen Stars. Er dient indes auch der Repräsentation nationaler Besonderheiten nach außen – etwa bei aufwändig inszenierten Eröffnungsfeiern internationaler Turniere. Dass auch Massenmedien ein relevanter Bestandteil der Konstruktion einer internationalen Realität sind und damit soziologische Beachtung verdienen, erörtert Michael Pontesegger. Während der Untersuchungsgegenstand auch in diesem Fall nicht zur „ersten Garde“ politikwissenschaftlicher Themenfelder zählt, so ist jedoch deutlich festzuhalten, dass die Theorien des Konstruktivismus seit Langem Einzug in die Politikwissenschaft gehalten und somit keine soziologische Spezialität sind. Unterm Strich bleibt aber in jedem Fall der Eindruck einer spannenden Perspektiverweiterung im Nachdenken und Diskutieren über den in der Tat sehr differenzierten Phänomenbereich der internationalen Beziehungen.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.2 | 2.22 | 4.1 | 4.45 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Paul Pachernegg / Christine Pichler / Christine Pilz / Dieter Reicher / Daniel Semper (Hrsg.): Internationale Beziehungen aus der Perspektive nationaler Öffentlichkeiten. Wien/Berlin: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35412-internationale-beziehungen-aus-der-perspektive-nationaler-oeffentlichkeiten_42686, veröffentlicht am 25.10.2012. Buch-Nr.: 42686 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken