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Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.)

Iran nach den Wahlen. Eine Konferenz und ihre Folgen. Ausgewählt und ins Deutsche übersetzt von Bahman Nirumand

Münster: Westfälisches Dampfboot 2001; 262 S.; 18,51 €; ISBN 3-89691-506-1
Wie steinig der iranische Weg der Demokratisierung ist, zeigte die dreitägige Konferenz der genannten Stiftung im April 2000 in Berlin. Eingeladen waren siebzehn Repräsentanten der seit einigen Jahren im Iran existierenden Reformbewegung, die unterschiedliche politische, geistige, säkulare und religiöse Positionen vertreten. Gemeinsam setzen sie sich für einen zivilen und demokratischen iranischen Staat ein. Daraus bezog die Veranstaltung ihre politische Brisanz. Von zwei Seiten wurden die Referentinnen und Referenten der Berliner Tagung angefeindet. Mehrmals musste die Konferenz unterbrochen werden, weil Mitglieder der Auslandsopposition, die sich unter das Publikum gemischt hatten, die Rednerinnen und Redner mit aggressiven Rufen störten. Bewusst hatten die Organisatoren der Heinrich-Böll-Stiftung darauf verzichtet, Vertreter der ausländischen Opposition einzuladen, weil vor allem über die inländische Reformbewegung informiert werden sollte. Die Provokationen der Störer waren wiederum Wasser auf den Mühlen der iranischen "Konservativen". Sie nahmen die Veranstaltung zum Anlass, die ohnehin laufende Kampagne gegen die demokratische Bewegung zu verschärfen. Dass die Ajatollahs ihre uneingeschränkte Macht insbesondere auf die religiösen Institutionen, die Kontrolle des Justizapparats, der Staatsmedien, der Wirtschaft und der paramilitärischen Organisationen stützen können, zeigte alsbald der Umgang mit den Konferenzteilnehmern. "Alle Referentinnen und Referenten wurden von den Justizbehörden in Teheran angeklagt und vielfältigen Repressalien ausgesetzt." (9) Neun der Tagungsgäste wurden mit mehrjähriger Haft bestraft. Die Stärke des Buches liegt weniger in den Informationen über die Islamische Republik, sondern vielmehr in der Nachzeichnung der Dynamik und der Folgen der Konferenz. Deutlich wird, wie erbittert die Auseinandersetzung zwischen demokratischer Reformbewegung, der Auslandsopposition und den "Konservativen" ausgefochten wird. In diesem Kampf scheuen die geistlichen Führer, an deren Spitze der Ajatollah Ali Chamenei steht, nicht vor Mord und extremer Verletzung der Menschenrechte zurück. Auch nach den hoffnungsvollen Wahlen, die den Reformern Auftrieb gaben, lassen die politischen Reaktionen der iranischen Staatsführer nur ein Urteil zu: "Der Iran ist von seinem Ziel, eine zivile und demokratische Gesellschaft zu etablieren, noch weit entfernt." (21) Inhalt: Sonia Seddighi: Den Dialog fortsetzen (11-23); Peter Philipp: Heikle Normalisierung. Die deutsch-iranischen Beziehungen im Lichte der jüngsten Geschichte (24-28). I. Vorträge und Diskussion: Mehrangiz Kar / Ezatollah Sahabi / Yussefi Eshkevari / Kazem Kardavani / Akbar Gandji: Iran nach den Wahlen (31-55); Alireza Alavitabar / Ali Afschari: Zur Situation an den Universitäten. Islam und Demokratie im Protest der Studenten (56-60); Yussefi Eshkevari: Reform-Islam und moderne Zivilgesellschaft (61-62); Fariborz Raisdana / Alireza Alavitabar / Khadijeh Moghaddam: Wirtschaft und Umwelt im Iran (63-81); Tschangiz Pahlavan / Shahla Lahiji / Mohammad Ali Sepanlu / Hamid Reza Djalaipur: Medien, Kunst und Literatur (82-113); Mehrangiz Kar / Shahla Sherkat / Hassan Yussefi Eshkevari: Frauenrechte und Frauenbewegung (114-134); Djamileh Kadivar: Die deutsch-iranischen Beziehungen (135-146). II. Stellungnahmen, Berichte, Kommentare; III. Prozessprotokolle.
Wilhelm Johann Siemers (SIE)
Dipl.-Politologe, Journalist, Redakteur der Sprachlernzeitschrift vitamin de, Florenz.
Rubrizierung: 2.63 Empfohlene Zitierweise: Wilhelm Johann Siemers, Rezension zu: Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.): Iran nach den Wahlen. Münster: 2001, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/15589-iran-nach-den-wahlen_17773, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 17773 Rezension drucken