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Zentrum für Niederlande-Studien (Hrsg.)

Jahrbuch 21/2010. Themenheft: Machtwechsel in Den Haag

Münster: Aschendorff Verlag 2011; 192 S.; 18,- €; ISBN 978-3-402-14204-2
Die Niederlande galten lange „als ein liberales Land mit einer toleranten Migrations- und Integrationspolitik“ (75), schreibt Friso Wielenga, Direktor des Zentrums für Niederlande-Studien der Universität Münster. Nun aber sehe es sich rechtspopulistisch herausgefordert. Wielenga benennt damit das zentrale Thema dieses Jahrbuchs und fasst essayistisch die Gründe für diese Herausforderung zusammen. Genannt wird zunächst der Wandel der politisch-kulturellen Verhältnisse seit den 1960er-Jahren, sichtbar an der Auflösung konfessionsgebundener Milieus und damit einhergehend einer höheren Volatilität der Wähler. Zudem setze die niedrige Sperrklausel von 0,67 Prozent neuen Parteien kaum Schranken. Konkret befördert worden sei der Rechtspopulismus dann vor allem durch drei politische Probleme: In der Integrationspolitik sei übersehen worden, dass sich die Migranten mit ihren Organisationen nicht einfach in das traditionelle System der niederländischen Säulen einfügen ließen, sondern eine ganz eigene Kategorie darstellten; damit verbunden habe sich eine Angst vor dem Verlust der niederländischen Identität entwickelt („Auch wenn niemand genau weiß, was diese Identität beinhaltet“ [80 f.]); zugenommen habe außerdem die Angst vor einer abnehmenden sozialen Sicherheit. Es sei kein allein niederländisches Phänomen, dass die politische Landschaft so in Bewegung geraten sei, schreibt Wielenga. Der Unterschied zu anderen Ländern „liegt darin, dass die Wählerwanderungen in den Niederlanden schneller, heftiger und dramatischer sind“ (82). Ebenfalls im Rahmen des Themenschwerpunkts „Machtwechsel in Den Haag“ konstatiert Frans Becker in seinem Beitrag über die Niederlande als politisches Laboratorium außerdem, dass der neue Populismus „eine Politik der unversöhnlichen Konfrontation“ (24) betreibt, vor allem gegenüber dem Islam. In einem der weiteren Beiträge attestiert Alexander van Kessel zudem dem langjährigen, 2010 aus dem Amt geschiedenen Ministerpräsidenten Jan Peter Balkenende, seine christdemokratische Partei CDA den rechtsliberalen und -populistischen Parteien ausgeliefert zu haben. „Die althergebrachte Machtposition in der Mitte wurde damit (vorläufig) verspielt.“ (40) Die insgesamt aufschlussreichen Beiträge des Themenschwerpunkts werden ergänzt durch weitere Aufsätze, u. a. zu dreißig Jahren Hochschulpolitik und zur Sarrazin-Debatte im Spiegel der niederländischen Presse. Vorgestellt werden außerdem einige (Dissertations-)Projekte, unter anderem eines über die Integration der Molukker in den Niederlanden. Das Jahrbuch bietet insgesamt einen guten Überblick über die problematische Situation der gegenwärtigen niederländischen Politik.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.61 | 2.22 | 2.263 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Zentrum für Niederlande-Studien (Hrsg.): Jahrbuch 21/2010. Münster: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34910-jahrbuch-212010_41976, veröffentlicht am 24.05.2012. Buch-Nr.: 41976 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken