Skip to main content
Claudia Fröhlich / Harald Schmid / Birgit Schwelling (Hrsg.)

Jahrbuch für Politik und Geschichte. Band 5: 25 Jahre europäische Wende

Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2014 (JPG 2014); 271 S.; 52,- €; ISBN 978-3-515-10912-3
Die Teilung Europas mag der Vergangenheit angehören – auch wenn die Herausgeber_innen angesichts der Krise in der Ukraine fürchten, dass das Ende des Kalten Krieges 1989 nur eine Atempause in dem Prozess war, westliche und östliche Machtsphären zu definieren. Dennoch bleibt auch auf der erweiterten westlichen Seite der Eiserne Vorhang dem vereinigten Europa eingeschrieben: „Was jahrzehntelang politisch‑ideologisch getrennt und gespalten war, fügte sich erinnerungskulturell nicht einfach zusammen, sondern spiegelte die zentralen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts in scharfen Kontrasten“ (6), heißt es im Einleitungsbeitrag. Dieser Themenkomplex, mit dem zugleich die Frage nach den gemeinsamen Werten als Fundament für die EU verbunden ist, stellt den Schwerpunkt in diesem Jahrbuch dar. Da das Problem an sich längst erkannt ist, können die Autor_innen von „Work in Progress“ berichten. So schildert Stefan Troebst den Wandel in der Wahrnehmung von Geschichte als „bestenfalls schmückendes Beiwerk Brüsseler Politik“ (19) hin zu einem breit angelegten Engagement der Institutionen, um der Herausbildung einer gemeinsamen, konsensfähigen Erinnerung als ein die Menschen und Länder verbindendes Element den Weg zu ebnen. Troebst hebt hier die „Entschließung des Europäischen Parlaments vom 2. April 2009 zum Gewissen Europas und zum Totalitarismus“ hervor. Darin „lehnten die Abgeordneten jegliche Art von totalitären Ideologien und Diktaturen sowie autoritären Regimen, Rassismus, Antisemitismus, Faschismus, Nationalsozialismus, Kommunismus und Stalinismus ab“ (29). Geschaffen worden sei damit der Grundpfeiler einer EU‑Geschichtspolitik. Arnd Bauerkämper schärft in seinem daran anschließenden Beitrag den Blick dafür, dass mit dieser Geschichtspolitik dennoch Raum für die verschiedenen Erinnerungskulturen bleiben kann und muss, wobei wechselseitige Akzeptanz vor allem über einen offenen Austausch zu erreichen sei. Drei weitere Beiträge zum Schwerpunkt mit teilweise mehr ins Detail gehenden Themen, etwa zur stalinistischen Verfolgung in Deutschland, runden das insgesamt differenzierte Bild ab. Aus den weiteren Kapiteln des Jahrbuchs sei hier zudem auf den originellen Beitrag von Bianca Roitsch und Anette Blaschke über den „Augensinn“ westdeutscher Zollbeamter an der innerdeutschen Grenze verwiesen. Deren Fotos haben die Autorinnen nicht nur eingeladen, über den Stellwert des Schäferhundes zu reflektieren. Sie können auch eine zunehmende Entfernung zwischen den Grenzern auf beiden Seiten feststellen und laden schließlich dazu ein, einen Bildvergleich heranzuziehen, um „bisherige ‚Meistererzählungen‘ in Frage [zu] stellen oder zumindest [zu] ergänzen“ (172).
{NW}
Rubrizierung: 2.612.232.353.4 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Claudia Fröhlich / Harald Schmid / Birgit Schwelling (Hrsg.): Jahrbuch für Politik und Geschichte. Band 5: 25 Jahre europäische Wende Stuttgart: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38495-jahrbuch-fuer-politik-und-geschichte-band-5-25-jahre-europaeische-wende_46745, veröffentlicht am 04.06.2015. Buch-Nr.: 46745 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken