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David Pilling

Japan – Eine Wirtschaftsmacht erfindet sich neu. Aus dem Englischen von Ursula Held und Reinhard Tiffert

München: Carl Hanser Verlag 2013; 407 S.; geb., 24,90 €; ISBN 978-3-446-43666-4
Angesichts des Tohoku‑Erdbebens 2011, des darauffolgenden Tsunamis und des davon ausgelösten GAU im Atomkraftwerk von Fukushima‑Daiichi geht David Pilling der Frage nach, wie „japanische Behörden und mehr noch, wie die japanischen Bürger eine solche Herausforderung meistern“ (10). Pilling, von 2001 bis 2008 als Auslandskorrespondent der Financial Times in Japan tätig, sieht in der Dreifachkatastrophe einen Wendepunkt für die von außen immer als besonders starr und wenig wandlungsfähig beschriebene japanische Gesellschaft. Nach einer Bestandsaufnahme ihrer inneren Verfassung nach der Jahrtausendwende widmet er sich im Schwerpunkt dem Wandel, wie er sich im Umgang mit den Folgen der Dreifachkatastrophe zeigt. Dem Autor gelingt eine lebendige Darstellung – wie in einer großen Reportage. Unterschiedliche, zeitlich jedoch parallel laufende Veränderungsprozesse werden auf diese Weise plastisch sichtbar. So hat etwa die Stadt Kandahar die Summe von 50.000 Dollar für den Wiederaufbau der zerstörten Gebiete gespendet. Anhand dieser Zuwendung selbst aus Afghanistan hätten japanische Regierungsstellen, aber auch Teile der Bevölkerung nach dem Tsunami feststellen können, dass Japan auf eine breite internationale Solidarität setzen könne und nicht in dem Maße international isoliert sei, wie es das von sich selbst immer glaube. Zudem habe eine große Freiwilligenbewegung, die sich zur Beseitigung der Trümmer und zu weiteren Aufräum‑ und Wiederaufbaumaßnahmen zusammengefunden habe, zu einer nachhaltigen Stärkung zivilgesellschaftlicher Prozesse beigetragen. Japan, so Pillings Prognose, wird – aller wirtschaftlichen Schwierigkeiten zum Trotz – mit den Folgen des Tsunamis umgehen können, und zwar so, dass es letztlich gestärkt auch aus dieser dreifachen Katastrophe hervorgeht. Wer jetzt indes auf eine Liste von „Rezepten“ (22) zum Krisenmanagement spekuliert, vielleicht noch dazu auf eine, die sich auch auf andere Länder übertragen ließe, der wird enttäuscht. Pilling betont explizit und zu Recht, dass Gesellschaften nicht wie Baukästen funktionieren, wo etwaige fehlende Teile so einfach durch andere ersetzt werden könnten.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.682.212.22 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: David Pilling: Japan – Eine Wirtschaftsmacht erfindet sich neu. München: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36902-japan--eine-wirtschaftsmacht-erfindet-sich-neu_44745, veröffentlicht am 27.03.2014. Buch-Nr.: 44745 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken