
Japan. Fukushima. Und wir. Zelebranten der nuklearen Erdbebenkatastrophe
Die mediale Deutung und die öffentlichen Reaktionen auf den Reaktorunfall von Fukushima haben die schwarz-gelbe Bundesregierung im Unterschied zu anderen europäischen Exekutiven bewogen, eine Kehrtwende zu vollziehen und aus der Atomenergie auszusteigen. Der Japanologe Zöllner fragt aber nicht nur, warum die Reaktionen gerade in Deutschland so heftig ausfielen. In nüchternen, tagebuchartigen Kurzkapiteln schildert er die Ereignisse vom März 2011, die er und seine Familie selbst miterlebten, er hinterfragt die Verflechtung der japanischen Atomwirtschaft mit der dortigen Politik und stellt den Umgang mit der Reaktorkatastrophe im Land dar. Dabei zeigt er, wie die Kritiker der zivilen Nutzung der Kernenergie, die es auch in Japan von Beginn an gab, mundtot gemacht wurden und ein technikgläubiger Sicherheitsmythos hegemonial werden konnte. Dieser Mythos wurde durch Fukushima disloziert und seitdem sind in Japan zahlreiche herrschaftskritische Diskurse entstanden, die nicht nur die Atompolitik der Regierung, sondern auch die traditionell engen Beziehungen zwischen Politik und Wirtschaft infrage stellen. Zöllner konzentriert sich aber hauptsächlich auf die Berichterstattung der deutschen Medien. Er kritisiert, wie die japanische Tragödie ungeniert zu einer deutschen Sache gemacht wurde und deckt absichtliche Übersetzungsfehler auf, mit denen die Aussagen von Betroffenen den ideologischen Vorannahmen der Fernsehproduzenten angepasst wurden. Zöllners Kritik ist eine schallende Ohrfeige für die Berichterstattung der deutschen Medien, insbesondere der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, die der Autor als „öffentlich-rechtliche Panikmacher“ (150) bezeichnet.