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Albert Krölls

Kapitalismus – Rechtsstaat – Menschenrechte

Hamburg: VSA 2013; 213 S.; 16,80 €; ISBN 978-3-89965-582-7
Der Rechtsstaat, so lehren uns nicht nur die Staatswissenschaften, sondern auch der öffentliche und mediale Diskurs, ist „die zivilisatorische Errungenschaft schlechthin“ (10), schützt er die Bevölkerung doch einerseits vor der Willkürherrschaft eines übermächtigen Leviathans, während er andererseits das friedliche Zusammenleben einer Ansammlung menschlicher Wölfe garantiert. Dass diese Sichtweise auf einer normativen Verklärung beruht, bei genauerer Betrachtung jedoch sowohl mit Blick auf das zugrundeliegende Menschenbild als auch auf das dahinter stehende Staatsverständnis von Paradoxien und logischen Widersprüchen gekennzeichnet ist, zeigt uns Albert Krölls, emeritierter Professor für Recht und Verwaltung. Indem er sämtliche normativen Annahmen über Bord wirft, kann sich Krölls nüchtern und ergebnisoffen den eigentlichen empirischen Fragen widmen, unter anderem: Welche Interessen regieren eigentlich, wenn in einer Gesellschaft das Recht herrscht? Welche Rolle spielt dabei die staatliche Gewaltenteilung und was bedeutet die Unabhängigkeit der Gerichte für die Durchsetzung der Staatsräson? In einer grundlegenden, unglaublich detailreichen Auseinandersetzung mit dem modernen (deutschen) Rechtsstaat legt der Autor dar, dass dieser „die adäquate politische Herrschaftsform einer kapitalistischen Konkurrenzgesellschaft“ (17) verkörpert. Dies ist zunächst gar nicht wertend gemeint, sondern soll in erster Linie zeigen, dass die vermeintlich unpersönliche „Herrschaft des Rechts“ letztlich eben auch nur das ist: Herrschaft! Damit unterscheidet sich der Rechtsstaat zwar in der Form seiner Mittel, aber eben nicht im Ergebnis von (vermeintlicher) Willkürherrschaft: hier wie dort geht es um die Absicherung bestimmter Interessen, hier wie dort nimmt sich der Staat das Recht heraus, Abweichler zu bestrafen – im Rechtsstaat letztlich sogar auf eine viel totalitärere und umfassendere Art und Weise, da im gesamten Staatswesen praktisch kein rechtsfreier Raum mehr besteht. Indem Krölls bis zum Schluss auf eine normative Einrahmung verzichtet, stellt sein Buch eine Provokation gegenüber der herrschenden (sic!) Staatsrechtslehre dar: indem diese die Wertung des Rechtsstaats als zivilisatorischer Fortschritt bereits der eigentlichen inhaltlichen Auseinandersetzung vorausstellt, werden viele Fragen falsch oder aber gar nicht erst gestellt. In diesem Sinne lässt sich der Band als Aufforderung lesen, sich auf eine ergebnisoffene Debatte über den modernen Staat einzulassen, und sollte als Pflichtlektüre in Politik‑ wie Rechtswissenschaften dienen.
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Rubrizierung: 2.32.322.3234.425.41 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Albert Krölls: Kapitalismus – Rechtsstaat – Menschenrechte Hamburg: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38317-kapitalismus--rechtsstaat--menschenrechte_45606, veröffentlicht am 23.04.2015. Buch-Nr.: 45606 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken