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Tilbert Stegmann / Martí Sancliment-Solé (Hrsg.)

Katalonien. Der diskrete Charme der kleinen Staaten

Berlin: Lit 2014; II, 90 S.; brosch., 9,90 €; ISBN 978-3-643-12629-0
Die Region Katalonien stellt in gewisser Weise eine Anomalie im europäischen territorialen Gefüge dar. Einerseits hat Katalonien eine reiche, jahrhundertealte, eigenständige Geschichte und ist als Kulturraum integraler Bestandteil Europas; andererseits wird diese Rolle oft übersehen und Katalonien nur als ein Teilgebiet von Spanien betrachtet, in dem es vielleicht regionale Eigenheiten gibt, aber keineswegs ein eigenes Volk oder gar einen eigenen Staat. Tilbert Stegmann und Martí Sancliment‑Solé wollen mit ihrem kurzen Sammelband genau diese Sichtweise überwinden. Die Beiträge behandeln die Situation Kataloniens entlang von drei Ebenen: der katalanischen, der des spanischen Zentralstaats und der europäischen. Besonders aufschlussreich wird dieses Gefüge im Beitrag von Lluís Bonet und Claudi Griny Ó erklärt; sie zeigen auf, dass Spanien nach dem Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft von erheblichen finanziellen Zuwendungen profitieren konnte, es zeitgleich aber eine noch umfangreichere Umverteilung von Katalonien zu den anderen spanischen Regionen gab. Auch in den übrigen Texten des Buches zeigt sich eine klare Botschaft: Katalonien ist ein eigener Staat, sein Volk hat eine eigene Identität und wenn der spanische Zentralstaat diese eigene Identität weiterhin nicht anerkennt, ist die Unabhängigkeit der einzig logische Ausweg. Auch dieser Appell wird wieder in einen europäischen Kontext gesetzt, denn die „Unabhängigkeit Kataloniens und seine Eingliederung in die Europäische Union [können] ein Zeichen für die demokratische Reife unseres Kontinentes werden“ (66). Spätestens hier zeigt sich, dass die Autoren sich nicht um eine neutrale Position bemühen, sondern klar Partei für die katalanischen Interessen ergreifen. Das führt leider auch dazu, dass es zu fragwürdigen Vergleichen kommt, in denen die Regierung in Madrid mit „der alten Franco‑Schule“ (69) in Verbindung gebracht wird. Abgesehen davon gewährt das Buch jedoch facettenreiche Einblicke in einen oft ignorierten Kulturraum und bietet so Denkanstöße für die Untersuchung weiterer Regionalbewegungen wie in Schottland oder Flandern.
Max Lüggert (MLÜ)
M. A., Politikwissenschaftler, Doktorand, Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
Rubrizierung: 2.613.7 Empfohlene Zitierweise: Max Lüggert, Rezension zu: Tilbert Stegmann / Martí Sancliment-Solé (Hrsg.): Katalonien. Berlin: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37364-katalonien_45917, veröffentlicht am 31.07.2014. Buch-Nr.: 45917 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken