Kelsens Kritiker. Ein Beitrag zur Geschichte der Rechts- und Staatstheorie (1911-1934)
Rechtswiss. Diss. Frankfurt a. M.; Gutachter: M. Stolleis. – Kelsens ultramoderne Demokratie-, Staats- und Rechtstheorie der Bürgerschaft als „Rechtsgenossenschaft“ einer pluralistischen Gesellschaft (Staatslehre ohne „Staat“ und „Volk“) kehrt seit Längerem auch in die deutsche Verfassungslehre und politische Theorie zurück, aus der sie, nicht zuletzt wegen seiner erbitterten Wiener und Weimarer Feinde, nahezu verbannt gewesen ist. Das macht die Auseinandersetzung mit seinen Kritikern interessant. Korb konzentriert sich dabei auf die Primärquellen, zumal Kelsen und seine Kritiker in regelrechten „Pamphletschlachten“ reichlich Material anhäuften. Zeitraum und Gegenstand seiner Untersuchung wird zu Recht auf 1911 bis 1934 (vom Erscheinen der „Hauptprobleme der Staatsrechtslehre“ bis zur ersten Auflage der „Reinen Rechtslehre“) bzw. auf die sieben Gegner beschränkt: Während Ernst Schwind, Alexander Hold-Ferneck, Erich Kaufmann und Fritz Sander nahezu vergessen sind, blieben Rudolf Smend, Hermann Heller und Carl Schmitt einflussreich und sind in Rechts- und Politikwissenschaft (wieder) präsent. Hervorzuheben ist, dass Korb trotz seines grundsätzlich rechtshistorischen Interesses diese „Feindschaften“ gerade nicht chronologisch rekonstruiert, sondern zwecks „Systematisierung“ (4) mittels der drei zentralen inhaltlichen Ebenen, auf denen sich die Kontroversen vollzogen haben: philosophisch die zwischen Neukantianismus und Neuhegelianismus; methodisch die um den Richtungsstreit der Rechts- und Staatslehre i. e. S. (insbesondere: Kritik der geisteswissenschaftlichen Richtung und des Dezisionismus), politisch die um Demokratie und Religion („politische Theologie“). Typisierend kommt Korb zu dem Schluss, dass die Gegner Kelsens durch drei sich gegenseitig bedingende Positionen gekennzeichnet sind: „Neuhegelianismus, Antipositivismus und Staatsautorität“ (294).