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David Harvey

Kleine Geschichte des Neoliberalismus. Aus dem Englischen von Niels Kadritzke

Zürich: Rotpunktverlag 2007; 279 S.; brosch., 24,- €; ISBN 978-3-85869-343-3
„Es gibt kein proletarisches Traumland Marx’scher Utopien, in das wir uns zurückziehen können“ (251), schreibt der New Yorker Anthropologe Harvey – an seiner messerscharfen Kritik am Neoliberalismus ändert diese utopische Abstinenz allerdings nichts. Im Mittelpunkt seiner Analyse steht das Recht auf individuelle Freiheit, dem vom Neoliberalismus am lautesten propagierten Ideal – mit der Einforderung der Freiheit seien die Massen angesprochen und von der Richtigkeit des Neoliberalismus überzeugt worden. Dieser sei so zu einem Allgemeingut geworden, das kaum noch infrage gestellt werde. Tatsächlich aber sei der Ruf nach Freiheit von einer kleinen Elite instrumentalisiert worden, um ökonomische Macht zu erlangen. Dies sei nichts anderes als Klassenkampf. Harvey zeigt an den Beispielen verschiedener Länder die Folgen: Die versprochene Kapitalakkumulation sei ausgeblieben, reich geworden sei nur die Elite. Ihr zur Hilfe gekommen seien Regierungen, die staatliche Versorgungsaufgaben privatisierten und die Gewerkschaften entmachteten. Als eines der negativsten Beispiele dient Margret Thatcher, die sogar behauptete, es gäbe keine Gesellschaft, nur Individuen. Deutlich geworden sei damit aber das janusköpfige Gesicht der Freiheit, das Harvey in Anbindung an die Thesen des Wirtschaftstheoretikers Karl Polanyi herausarbeitet. Zu unterscheiden sind demnach zwei Arten von Freiheit, „eine gute und eine schlechte. Zu der zweiten Art zählte [Polanyi] die Freiheit, die Mitmenschen auszubeuten, maßlose Gewinne ohne angemessene Leistungen für die Gemeinschaft zu erzielen [...] oder aus dem schlechten Funktionieren staatlicher Dienste einen persönlichen Vorteil zu ziehen“ (49). Und angesichts der Beschneidung von Arbeitnehmerrechten im Namen des Neoliberalismus greift Harvey auch warnend die Prognose Polanyis auf, wonach der neoliberale Utopismus dazu verdammt sei, „in einem autoritären System oder gar im offenen Faschismus zu enden“ (50). Dem aber gelte es mit einer offenen Demokratie, die dem Prinzip der sozialen Gleichheit und der Gerechtigkeit verpflichtet sei, entgegenzuwirken.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.2 | 2.61 | 2.65 | 2.68 | 5.42 | 5.45 | 2.22 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: David Harvey: Kleine Geschichte des Neoliberalismus. Zürich: 2007, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/30132-kleine-geschichte-des-neoliberalismus_35722, veröffentlicht am 18.02.2009. Buch-Nr.: 35722 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken