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Hans-Jürgen Aretz

Kommunikation ohne Verständigung. Das Scheitern des öffentlichen Diskurses über die Gentechnik und die Krise des Technokorporatismus in der Bundesrepublik Deutschland

Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 1999; 449 S.; brosch., 98,- DM; ISBN 3-631-34856-8
Soziologische Habilitationsschrift Düsseldorf. - Die Arbeit analysiert die öffentliche Auseinandersetzung über die Gentechnik in Deutschland (13). Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen die Debatte auf der kommunikativen Ebene des öffentlichen Diskurses, die Handlungsebene, die gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen des Handelns sowie die konkreten Handlungsabsichten der wichtigsten beteiligten Akteure (14). Vor allem geht Aretz den Fragen nach, welche Akteure aufgrund welcher Bedingungen ihre Interessen erfolgreich oder weniger erfolgreich durchsetzen konnten, welche Koalitionen eingegangen sowie welche Fronten aufgebaut wurden und wie die Verständigungsprozesse zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Handlungsbereichen abliefen (15). Der Autor kommt zu dem Ergebnis, daß der öffentliche Diskurs über die Gentechnik in Deutschland gescheitert ist. Die Debatte sei "nicht durch die Suche nach gegenseitiger Verständigung", sondern "durch Konfrontation und die Durchsetzung von Positionen" (365) gekennzeichnet. Ein wirklicher Diskurs im strengen Sinne habe gar nicht stattgefunden. Die Auseinandersetzung sei vielmehr durch die Darstellung und den Schlagabtausch von Positionen und Gegenpositionen geprägt. Da es so nicht zu einer Bearbeitung des Konflikts mit diskursiven Mitteln kommen konnte, wurde er in das politische System verlagert. Die normative Regulierung der Gentechnik durch das Parlament bezeichnet Aretz als einen "mehr autoritativen" als konsensuellen Politikstil und will darin eine Vernachlässigung der Gemeinwohlorientierung erkennen (369). Die Gesetzgebung habe sich weitgehend an den Bedürfnissen der Industrie orientiert. Abschließend schlägt der Autor vor, vermittelnde Instanzen zu schaffen, die sicherstellen sollen, daß der politische Komplex mit allen relevanten gesellschaftlichen Akteuren in eine enge kommunikative Beziehung treten kann (377) und so ein diskursiver Politikstil verwirklicht wird. Aus dem Inhalt: II. Zur theoretischen Konzeption des Verhältnisses von Technik und Gesellschaft; III. Differentielle Risiko-Definitionen, Kommunikation und Politik in der Risikogesellschaft; IV. Zum historischen Kontext: Die "neue Biotechnologie" und die Anfänge der RDNA-Debatte in den USA; V. Die Gentechnik-Arena in Deutschland: 1. Vorbemerkungen zur Analyse der Konfliktarena in Deutschland; 2. Asilomar und das Gentechnikrecht in Deutschland; 3. Erkenntnisfortschritt, Freiheit der Forschung und praktische Problemlösung: Die Biowissenschaft in Deutschland; 4. Ökonomischer Wettbewerb, Kommerzialisierung der Gentechnik und "Standort Deutschland": Die industrielle Biotechnologie; 5. Politische Regulierung: Der politische Komplex zwischen Wissenschaft, Verfassung, Moral, Ökonomie und sozialer Akzeptanz; 6. Kolonialisierung der sozialen Lebenswelt, Instrumentalisierung des Lebendigen und Sakralisierung der Natur: Kritik am gesellschaftlichen Anwendungszusammenhang der Gentechnologie; 7. Kulturelle Akteure: Verantwortungsethik und neue Biotechnologie; 8. Die Printmedien. VI. Gentechnikpolitik in der Bundesrepublik Deutschland: Konfrontation statt Verständigung.
Sven Christian Singhofen (SCS)
M. A., Doktorand, Institut für Sozialwissenschaft (Bereich Politikwissenschaft), Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.343 | 2.333 Empfohlene Zitierweise: Sven Christian Singhofen, Rezension zu: Hans-Jürgen Aretz: Kommunikation ohne Verständigung. Frankfurt a. M. u. a.: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/11079-kommunikation-ohne-verstaendigung_13097, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 13097 Rezension drucken