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Volkhard Knigge (Hrsg.)

Kommunismusforschung und Erinnerungskulturen in Ostmittel- und Westeuropa

Köln/Weimar/Wien: Böhlau Verlag 2013 (Europäische Diktaturen und ihre Überwindung. Schriften der Stiftung Ettersberg); 203 S.; 24,90 €; ISBN 978-3-412-22168-3
Fünfundzwanzig Jahre nach dem Zusammenbruch der realsozialistischen Regime in Ostmittel‑ und Osteuropa lassen sich in der Erinnerung an diese und der Auseinandersetzung mit ihnen unterschiedliche Tendenzen erkennen. Während des 11. Internationalen Symposiums der Stiftung Ettersberg – sie widmet sich der vergleichenden Erforschung europäischer Diktaturen und besonders der SED‑Diktatur – im Oktober 2012 wurden ostmittel‑ und westeuropäische Erinnerungskulturen einander gegenübergestellt. Michal Kopeček konstatiert für den östlichen Teil des Kontinents einen „enormen Aufschwung“ geschichtswissenschaftlicher Arbeiten zur jüngeren Vergangenheit. Im Zusammenhang damit sei zumindest teilweise eine „Pluralisierung von Perspektiven, Erklärungsmodellen und methodischen Zugängen“ (37) zu verzeichnen. Anders hingegen sieht es bei staatlichen erinnerungspolitischen Initiativen aus. Joachim von Puttkamer analysiert den ungarischen Versuch, „ein regierungsamtlich verordnetes Geschichtsbild mit Mitteln der Staatskunst festzuschreiben“ (72). Ein anlässlich der neuen Verfassung von 2012 präsentierter, offiziell in Auftrag gegebener Bilderzyklus stelle den angenommenen „Leidensweg der ungarischen Nation durch die Stürme des 20. Jahrhunderts“ (71) als Meistererzählung dar, jedoch ohne dieses Konzept konsistent durchhalten zu können. Mit Blick auf die deutsche Erinnerungskultur beobachtet Torsten Oppelland eine „Konzentration auf das verbrecherische Herrschaftssystem“ der DDR. Diese könne „eine Abwehrreaktion, eine mehr oder weniger unreflektierte Rechtfertigung der Diktatur“ (113) hervorrufen, was nicht im Sinne der historisch‑politischen Bildungsarbeit sein könne. Harald Welzer zufolge konzentriert sich die Bildungsarbeit in Deutschland hauptsächlich auf den Nationalsozialismus, weshalb er sich für eine „reflexive Erinnerungskultur“ (174) ausspricht. Diese müsse über den Holocaust hinaus „vermehrt Gegenwartsbezüge akzentuieren […], um ein emanzipatorisches Geschichtsbewusstsein entstehen zu lassen, das auch für kommende Generationen […], besonders aus nicht‑deutschen Herkunftsgesellschaften, anschlussfähig ist.“ (175)
Martin Munke (MUN)
M. A., Europawissenschaftler (Historiker), wiss. Hilfskraft, Institut für Europäische Studien / Institut für Europäische Geschichte, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 2.612.232.35 Empfohlene Zitierweise: Martin Munke, Rezension zu: Volkhard Knigge (Hrsg.): Kommunismusforschung und Erinnerungskulturen in Ostmittel- und Westeuropa Köln/Weimar/Wien: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37575-kommunismusforschung-und-erinnerungskulturen-in-ostmittel--und-westeuropa_45044, veröffentlicht am 25.09.2014. Buch-Nr.: 45044 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken