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Schirin Fathi (Hrsg.)

Komplotte, Ketzer und Konspirationen. Zur Logik des Verschwörungsdenkens – Beispiele aus dem Nahen Osten

Bielefeld: transcript Verlag 2010 (Global Studies); 323 S.; 29,80 €; ISBN 978-3-8376-1341-4
Verschwörungstheorien genießen aufgrund ihrer einfachen Antworten auf unübersichtliche Vorgänge große Anziehungskraft. In diesem Sammelband wird der schwierige und seltene Versuch unternommen, die diffuse Thematik wissenschaftlich zu erfassen. Da Verschwörungsdenken im Nahen Osten besondere Relevanz besitzt, dient er hier als Referenzregion. In 18 lesenswerten Beiträgen untersuchen die Autoren, allesamt Islamwissenschaftler, insgesamt drei Themenkomplexe. Neben der Erarbeitung eines theoretischen Rahmens analysieren sie den religiösen und den historischen Kontext verschwörungstheoretischen Denkens. Als Fallbeispiele dienen die Freimaurer sowie die „Protokolle der Weisen von Zion“. Komplettiert wird der Band durch die Darstellung eines Fallbeispiels, das zu vielen Spekulationen Anlass bot: die Ermordung des ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafiq al-Hariri durch ein professionell geplantes Autobombenattentat im Februar 2005. Zunächst verdeutlicht Nikolai Röhl, dass die Prominenz von Verschwörungstheorien im Nahen Osten keinesfalls durch kulturelle oder religiöse Faktoren erklärt werden kann, sondern durch die kontinuierlichen historischen Erfahrungen der Region mit Fremdherrschaft, Autoritarismus und sektiererischem Regimewechsel. Aline Hebenstreit zeigt, dass neben historisch-realen auch soziologisch-psychologische Faktoren die Konstruktion von Verschwörungstheorien begünstigen – etwa der menschliche Drang nach Sinnstiftung oder nach Versicherung der eigenen Identität durch die Konstruktion „des Anderen“ (59). Prominente Kontexte, in deren Umfeld Verschwörungstheorien gedeihen (z. B. im Rahmen der Terroranschläge vom 11. September), werden im Sammelband bewusst ausgespart. Matthias Stumpf stellt die Parallelen des politischen Katholizismus und des Islamismus (die sich vor allem in der Judenfeindschaft zeigen) heraus, Behnam Said untersucht den von Verschwörungstheorien befeuerten Konflikt zwischen sunnitischem und schiitischem Islam. Damit zeigen sie, dass solches Denken in grundsätzlich jedem Kontext möglich und nicht auf den konstruierten Konflikt zwischen dem „Islam“ und dem „Christentum“ beschränkt ist.
Christian Haas (CHA)
M. A., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.23 | 2.63 | 2.61 | 2.62 Empfohlene Zitierweise: Christian Haas, Rezension zu: Schirin Fathi (Hrsg.): Komplotte, Ketzer und Konspirationen. Bielefeld: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32586-komplotte-ketzer-und-konspirationen_38895, veröffentlicht am 16.08.2010. Buch-Nr.: 38895 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken