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Duc Quang Ly

Konfuzianischer Konstitutionalismus. Die Rezeption des westlichen Verfassungsstaates am Ende der Qing-Dynastie

Zürich/Berlin: Lit 2014 (Politische Theorie 13); 191 S.; 19,90 €; ISBN 978-3-643-90050-0
Diss. Erlangen; Begutachtung: J. Gebhardt, M. Lackner. – Duc Quang Ly verfolgt in seiner bereits 2009 abgeschlossenen Dissertation primär einen zivilisationsvergleichenden Ansatz, mit dem er das Aufgreifen der Idee der geschriebenen Verfassung in Europa durch Asien untersucht. „Vor dem historischen Hintergrund der Begegnung von westlichem Konstitutionalismus und konfuzianischem Kaisertum nimmt sich die vorliegende Studie die Rezeption des modernen Verfassungsstaates durch den Konfuzianismus am Ende der Qing‑Dynastie zum Gegenstand“ (3). Im Zuge der begriffsgeschichtlichen Auswertung historischer Quellentexte aus der Qing‑Dynastie des frühen zwanzigsten Jahrhunderts, hierbei vornehmlich aus dem Umfeld der kaiserlichen Verfassungskommission des Jahres 1906, kommt Ly zu einem differenzierten Befund. „Trotz der Übernahme institutioneller Mechanismen einer Konstitutionalisierung der Herrschaft im chinesischen Reich behält das Konzept eines chinesischen Verfassungsstaates unter der Autorität des Himmelssohnes das [...] gefestigte Menschenbild des Konfuzianismus bei.“ (153) Damit sei, das ist die eine Seite des sich im „Siegeszug der geschriebenen Verfassung“ (151) manifestierenden Kulturtransfers, die Idee der schriftlichen Fixierung von Recht und der daran anknüpfenden institutionellen Überlegungen eindeutig nach China übertragen worden. Diese Übertragung stößt aber an Grenzen: Gerade was ethische oder gesamtgesellschaftliche Grundüberzeugungen anbelangt – etwa die Vorstellung über die soziale Bedeutung von Harmonie – sei die Beibehaltung gewachsener, traditionaler Bestandteile des konfuzianischen Selbst‑ und Weltbildes festzustellen. Mit Blick auf die unter Deng Xiaoping etablierte Reformpolitik, die ihrerseits den Ausgangspunkt Chinas auf dem Weg ins 21. Jahrhundert markiert, stellt Ly eine Fortsetzung dieser Entwicklungslinien fest. Wenn Deng für seinen „Sozialismus chinesischer Prägung“ (165) Harmonie und Einheit als zentrale politische Werte proklamiert, dann fördere er damit – in konfuzianischer Tradition – das Fortbestehen einer Gesellschaft, die sich zentral auf Disziplin stütze. Inwiefern Disziplin, und hier insbesondere „Militärdisziplin“ (167), indes mit Demokratie und freiheitlicher Entwicklung oder doch bloß mit autoritär angeleiteter Entfaltung des Kapitalismus in Einklang zu bringen ist, bleibt schließlich unbeantwortet.
{LEM}
Rubrizierung: 2.682.215.415.34 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Duc Quang Ly: Konfuzianischer Konstitutionalismus. Zürich/Berlin: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38659-konfuzianischer-konstitutionalismus_42761, veröffentlicht am 23.07.2015. Buch-Nr.: 42761 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken