Konservative Politik im Übergang vom Kaiserreich zur Weimarer Republik
Im Nachlass von Wilhelm Solf, bis 1918 Staatssekretär des Reichskolonialamtes und dann für kurze Zeit auch des Auswärtigen Amtes, findet sich eine Notiz über ein Gespräch zwischen Solf und Kuno Graf von Westarp, November 1918. Solf bemerkte, er habe zuvor noch nie einen Mann gesehen, der so durch die politischen Ereignisse gebrochen worden sei, wie eben Graf Westarp. In seinen Erinnerungen zur Revolutionszeit und dem ersten Jahr der ersten deutschen Republik findet sich von dieser Niedergeschlagenheit wenig. Westarp schreibt von "schwerer Gefahr" (3) für Deutschland, und davon, dass er für die verfassungsmäßigen Rechte des Reichstages eintreten wollte, und daher nicht aus der Politik ausschied. Gleichwohl sind Westarps Erinnerungen wahrhaftig im Sinne des Memoirenschreibers: Er blieb seinen konservativen Grundsätzen treu, seine Front gegenüber der Linken bröckelte nicht, auch dann nicht, als sich am rechten Rand des Parteienspektrums Organisationen ausbildeten, die dem Monarchisten Westarp zeitlebens suspekt waren, nicht nur deshalb, weil so manch einer der rechten Schreier aus propagandistischen Gründen gerade bei dem Vorzeigekonservativen der DNVP jüdische Vorfahren vermuten wollte. Westarp hat seine Erinnerungen bis zur Reichstagswahl 1920 schon in den Dreißigerjahren begonnen und bis 1942 mit Unterbrechungen abgeschlossen. Er hat sie keineswegs aus dem Blickwinkel dessen geschrieben, der schon immer hat kommen sehen, was später aus dem deutschen republikanischen Experiment geworden ist. Dies und seine strenge, unverfälschte Parteilinie machen Westarps Erinnerungen zu einer besonderen Quelle der frühen Weimarer Zeit.