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Bernd Greiner

Krieg ohne Fronten. Die USA in Vietnam

Hamburg: Hamburger Edition 2007; 595 S.; geb., 35,- €; ISBN 978-3-936096-80-4
Die Lektüre dieses Buches ist ein traumatisches Erlebnis. Greiner, der in Hamburg lehrt und am Institut für Sozialforschung den Arbeitsbereich „Theorie und Geschichte der Gewalt“ leitet, schreibt nicht über den Vietnam-Krieg, sondern er beschreibt ihn. Dem Leser begegnet eine unvorstellbare Gewalt, die an Alten, Frauen und Kindern verübt wurde. Greiner fragt, ob die „in Vietnam verfolgte Militärstrategie dem Massenmord an Zivilisten Vorschub“ leistete. Und inwieweit „kann eine Gesellschaft für das Verhalten ihrer Soldaten verantwortlich gemacht werden?“ (15) Erstmals hat er die Akten der Vietnam War Crimes Working Group ausgewertet, um den Kriegsalltag zu rekonstruieren und den politischen und juristischen Umgang mit Kriegsverbrechen zu beschreiben. Dargestellt werden alle relevanten Ebenen, von der politischen Führung, die sich in eine Glaubwürdigkeitsfalle manövrierte und meinte, diesen Krieg nicht ohne Gesichtsverlust beenden zu können, über die Generäle und Offiziere, die ihre Positionen als Verantwortliche nicht ausfüllten, bis hin zu einfachen Soldaten, die nach wenigen Wochen Einsatz vergewaltigten, folterten und töteten. Greiner zeigt, wie das internationale Kriegsrecht seine Bedeutung verlor, weil kaum jemand den (vermeintlichen) nationalen Interessen der USA etwas in den Weg stellen wollte. Das Bewusstsein von der eigenen Überlegenheit mischte sich mit rassistischen Ansichten über die Vietnamesen und gleichzeitig mit der Unfähigkeit, zwischen Zivilisten und gegnerischen Soldaten zu unterscheiden – mit der Folge, dass Soldaten auch auf eigene Faust wahllos töteten. Greiner zeichnet diese Brutalisierung am Beispiel der Todesschwadronen und von zwei Massakern nach. Begleitet wurde das Kriegsgeschehen von einer US-Öffentlichkeit, die in der Mehrheit jedes Mittel gegen den Feind als gerechtfertigt ansah und unbeteiligte Opfer nach der Devise „Krieg ist Krieg“ entschuldigte. „Diese normative Selbstbezogenheit und das Pochen auf der über alles und jedes erhabenen Sonderstellung“ (545) erklärten, so Greiner, warum die USA in Vietnam einen grenzenlosen Krieg führten.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 4.1 | 4.22 | 2.64 | 2.68 | 2.21 | 4.41 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Bernd Greiner: Krieg ohne Fronten. Hamburg: 2007, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/28266-krieg-ohne-fronten_33259, veröffentlicht am 04.04.2008. Buch-Nr.: 33259 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken