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Detlef Hartmann / John Malamatinas

Krisenlabor Griechenland. Finanzmärkte, Kämpfe und die Neuordnung Europas

Berlin: Assoziation A 2010 (Materialien für einen neuen Antiimperialismus 9); 133 S.; 12,- €; ISBN 978-3-86241-405-5
Die Finanz- und Schuldenkrisen der vergangenen Jahre haben von verschiedener Seite zu der Einschätzung geführt, dass zumindest für Europa der Weg in ein neues Zeitalter eröffnet ist. Gegenwärtig steht die Staatsverschuldung Griechenlands auf der politischen Agenda, doch weitere südeuropäische Länder sind ebenso gefährdet. Daher ist es begrüßenswert, dass die Autoren die Hintergründe der Schuldenkrise in Griechenland sowie die jüngsten Konsolidierungsversuche im Gesamtkontext der wirtschafts- und finanzpolitischen Entwicklungen des vergangenen Jahrzehnts analysieren. Sie bieten dabei zwei Perspektiven: Im ersten Teil beschreibt Malamatimas die sozialen Bewegungen und ihre Proteste gegen die von der EU und dem IWF auferlegten sozialen Einschnitte. Die bereits vollzogenen Lohnkürzungen und Steuererhöhungen betreffen, so Malamatimas, breite soziale Schichten und haben die „Bewegung auf der Straße zu einer ‚kämpfenden wütenden Masse’“ (16) anwachsen lassen. Angesichts weiterer empfindlicher Sparmaßnahmen sei sozialer Widerstand vorauszusehen. Die Erfolgsaussichten der außerparlamentarischen Bewegung beurteilt der Autor eher skeptisch. Sie sei gespalten und kaum fähig zu einer inhaltlichen Kritik. Zudem fehle „ein kritischer Blick auf die Entwicklung der griechischen Wirtschaft seit dem Ende der Diktatur“ sowie ein „Verständnis des bürgerlichen Euro-Nationalismus im Rahmen des Projektes Europa“ (25). Im zweiten Beitrag stellt Hartmann die initiierten Strategien der finanzpolitischen Akteure zur Bewältigung der Krisen dar und zeichnet die Geschehnisse in Bezug auf Griechenland nach. Kenntnisreich setzt er sich mit den hintergründigen, maßgeblich von Deutschland beeinflussten Strategielinien und gängigen Mythen auseinander. Er beschreibt, wie sich im Mai 2010 der „Antagonismus von griechischen Kämpfen und Finanzmarktoperationen“ (9) zugespitzt hat. Hartmann sieht in dem beschlossenen Rettungsschirm von 750 Milliarden Euro weniger eine Hilfeleistung, sondern „ein Instrument und einen Rahmen zur mittelfristigen Disziplinierung von Gesellschaften und sogenannten Volkswirtschaften“. Deutschland spiele in diesem Prozess eine Schlüsselrolle: „Grob gesehen überträgt die deutsche Politik den Schock der Agenda 2010 auf den europäischen Großraum.“ (89) Auch wenn man nicht alle Überzeugungen der marxistisch orientierten Autoren teilen mag, bietet das Buch einen lohnenden, über flache populistische Urteile hinausgehenden Beitrag zur politischen Debatte.
Anke Rösener (AR)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.61 | 2.2 | 2.22 | 3.1 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Detlef Hartmann / John Malamatinas: Krisenlabor Griechenland. Berlin: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33549-krisenlabor-griechenland_40153, veröffentlicht am 14.07.2011. Buch-Nr.: 40153 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken