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Jürgen Manemann

Kritik des Anthropozäns. Plädoyer für eine neue Humanökologie

Bielefeld: transcript Verlag 2014 (xtexte); 141 S.; kart., 16,99 €; ISBN 978-3-8394-2773-6
Was macht der Mensch mit der Welt, in der er lebt – und was könnte, ja was sollte er mit ihr machen? Das unter anderem von der Zeitschrift „The Economist“ ausgerufene Anthropozän, also das „Erdzeitalter der ‚Menschenzeit’“ (7), wirft genau diese Fragen auf. „Den Beginn des Anthropozäns kann man auf das späte 18. Jahrhundert datieren, da Untersuchungen der in Eisbohrkernen eingeschlossenen Luftbläschen ergaben, dass die Konzentration von CO2 und Methan in der Atmosphäre in dieser Zeit weltweit zuzunehmen begann.“ (15) Jürgen Manemann, Direktor des Forschungsinstituts für Philosophie Hannover, diskutiert im Zuge seines Versuchs einer Beantwortung dieser Fragen ausführlich das Verhältnis der Menschen zu ihrer Umwelt: „Der Mensch formt die Natur. Das ist der Kern der Anthropozän‑These.“ (27) Die gestalterischen Möglichkeiten wie auch die Verantwortung, die diese Aufgabe der Gestaltung für die Menschen mitbringt, sind ambivalent. Sie können zerstörerisch und damit für die Menschheit, in planetarischem Ausmaße gedacht, selbstzerstörerisch wirken; sie können aber auch in ein ausgewogenes, auf Koexistenz und Erhaltung zielendes Verhältnis münden. Um zu beschreiben, wie eine gelingende Gestaltung und ein in diesem Sinne gutes Verhältnis der Menschheit zu ihrer Umwelt aussehen könnte, bleibt Manemann nicht bei philosophischen Konzepten, wie etwa dem der „Lebenskönnerschaft“ stehen, obschon er der Auseinandersetzung mit ihnen viel Platz einräumt: „Angezeigt ist eine innere Reise, die Demut erfahrbar werden lässt. Demut heißt, sich zurückzuziehen, Raum zu geben für Andere und Anderes.“ (88) Ob es dafür gleich gelte, die „Menschheit zu überwinden“ (96), wie es Extropianer und andere Transhumanisten versuchen, oder ob ein Umgang mit den gegenwärtigen Herausforderungen nicht auch pragmatischer, praktischer, gar politisch greifbarer sein kann, bleibt bis zum Ende offen. Nicht offen bleibt für Manemann, welche Herausforderungen philosophischer Art auf die Menschen zukommen werden: Es gilt, verstärkt Humanität, verstanden als Kulturbedürftigkeit und Kulturbefähigung, ins Zentrum zu rücken. Humanität ist dabei getragen von Hoffnung, die wiederum um die Sinnhaftigkeit des Hoffens weiß, ohne dieses an Erfolgsbedingungen zu koppeln. Ob das für die Rettung des Planeten ausreichen wird – wer weiß.
{LEM}
Rubrizierung: 5.422.2 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Jürgen Manemann: Kritik des Anthropozäns. Bielefeld: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38077-kritik-des-anthropozaens_46448, veröffentlicht am 12.02.2015. Buch-Nr.: 46448 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken