Nach der 2008 bei Suhrkamp erschienen Quellensammlung „Anthologie der Menschenversuche“ legen die Herausgeber nun weitere Erkenntnisse vor, die seit 2003 in der interdisziplinären DFG-Forschungsgruppe „Kulturgeschichte des Menschenversuchs“ an der Universität Bonn erarbeitet wurden. Der neue Sammelband vereint die Beiträge einer von der Forschungsgruppe 2006 veranstalteten Tagung und stellt somit eine wichtige Vertiefung und Ergänzung der „Anthologie“ dar. Nun geht man über die Kommentierung von Quellentexten hinaus und zeigt die Einbindung von Menschenversuchen in Gesellschaftsentwürfe, ihren Kontext zu neuen Medien und Technologien und folglich ungeahnte Traditionslinien bis in unsere Tage. Der Schwerpunkt liegt auf dem 20. Jahrhundert und umfasst zum Beispiel die Menschenexperimente Kurt Lewins, jene der deutschen Kolonialverwaltung in Togo und Kamerun sowie jene in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten. Einen spannenden Ausblick auf das 21. Jahrhundert geben Texte zu Klonexperimenten und In-vitro-Kulturen, sodass man auf einen Nachfolgeband hoffen darf, der auch die gegenwärtigen rechtspolitischen Diskussionen um Kants Instrumentalisierungsverbot kritisch reflektiert.