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Ivan Lesay / Bernhard Leubolt (Hrsg.)

Lateinamerika nach der Krise. Entwicklungsmodelle und Verteilungsfragen

Wien/Berlin: Lit 2012 (¡Atención! 15); 227 S.; 19,90 €; ISBN 978-3-643-50371-8
Verhalten optimistisch sehen die Autoren im ersten Teil des Bandes auf die Entwicklungsmöglichkeiten Lateinamerikas. Zwar hat der Subkontinent in der Vergangenheit viele wirtschaftliche Krisen durchlitten, ist aber von der immer noch aktuellen globalen Finanz- und Wirtschaftskrise nicht in den ökonomischen Abgrund gerissen worden. Die außenwirtschaftlichen Faktoren des jüngeren wirtschaftlichen Aufschwungs, der deutlich mit einem Sinken der Armutsquote verbunden ist, müssen allerdings „als instabil und problematisch“ (Joachim Becker [50]) eingeschätzt werden. Sehr kritisch fällt die Analyse Elmar Altvaters aus. Er erinnert daran, dass Lateinamerika „bis heute ein Laboratorium für Modelle nachholender Entwicklung“ (94) ist – mit allen negativen Konsequenzen für Umwelt und (indigene) Menschen. Altvater zeigt die Grenzen der – auf den ersten Blick vorausschauenden – Umstellung von der Nutzung fossiler Energieträger auf Biomasse und damit die Endlichkeit des bisherigen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells auf. „Angesichts der Grenzen des kapitalistisch überformten Energiesystems können Lösungen für Peakoil und Klimawandel nicht gefunden werden, wenn zwar die Suche nach alternativen und erneuerbaren Energien fortgesetzt und dabei intensiviert wird, aber die gesellschaftlichen Machtverhältnisse nicht wirklich verändert werden.“ (111) Unter den Beiträgen, in denen im zweiten Teil die spezifischen Entwicklungswege ausgewählter Länder vorgestellt werden, kann im Anschluss an Altvater besonders der von Isabella Margarita Radhuber über die neuen politischen Kräfteverhältnisse in Bolivien gelesen werden. In dem Andenland, in dem ein plurinationaler Staat angestrebt wird, verloren die Vertretungen der Besitzenden und Unternehmer zugunsten der indigenen Bevölkerung an Einfluss und „mit den neuen Einkommen aus dem nationalisierten Rohstoffabbau werden neue Sozialprogramme finanziert“ (193). Radhuber weist allerdings auch darauf hin, dass die traditionell privilegierte weiße Oberschicht nach wie vor davon profitiert, dass es keine direkte Lohn- und Einkommenssteuer gibt. Auch seien die staatlichen Investitionen im Verhältnis zu den laufenden Kosten gering. Damit fällt auch die Darstellung Boliviens trotz der nennenswerten Neuerungen unter Präsident Morales ebenfalls nur verhalten optimistisch aus. Weitere Länderstudien dieses insgesamt informativen Bandes sind Mexiko – quasi als Kontrapunkt zu Bolivien–, Venezuela, Brasilien und Chile gewidmet.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.65 | 2.2 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Ivan Lesay / Bernhard Leubolt (Hrsg.): Lateinamerika nach der Krise. Wien/Berlin: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35215-lateinamerika-nach-der-krise_42401, veröffentlicht am 23.08.2012. Buch-Nr.: 42401 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken