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Linkspopulismus: Oxymoron oder Alternative? Ein Blick über den politiktheoretischen Tellerrand. Fallbeispiel: Argentinien

22.03.2018
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Univ.-Ass. Dr. Tobias Boos

Nstor y Cristina Kirchner 2008 06 18 02Hinter dem Label „Linkspopulismus“ kann in Lateinamerika eine Reformpolitik stehen, die zwar auf Politisierung und Polarisierung setzt, die demokratischen Institutionen aber intakt lässt. Ein Beispiel sind die Regierungen von Néstor Kirchner und Cristina Fernández de Kirchner in Argentinien (hier beide auf der Plaza de Mayo, 18. Juni 2008, Foto: Presidency of Argentina)

 

War von Populismus die Rede, schien in Europa die Sache lange Zeit klar. Rund um die 1990er-Jahre und die Jahrtausendwende beschäftigte sich die hiesige einschlägige Forschung zumeist mit Parteien aus dem rechten Spektrum – häufig gar nicht unter Zuhilfenahme des Begriffs Populismus, sondern unter jenem Label der Extremismusforschung. Seit nunmehr einigen Jahren ist diese Selbstverständlichkeit ins Wanken geraten. Spätestens seit dem Aufstieg von politischen Kräften wie PODEMOS in Spanien, Syriza in Griechenland oder Jeremy Corbyn in England findet diese Zuschreibung auch Anwendung auf der linken Seite des politischen Spektrums. Das Ensemble an Begriffen wird dabei immer undurchsichtiger. Auch in den Beiträgen des hiesigen Themenschwerpunkts gehen die Begrifflichkeiten bunt durcheinander: Populismus, Extremismus, Kommunismus oder gar der Terminus Terrorismus haben ihren Auftritt. Mindestens teilweise scheint der italienische Intellektuelle Marco D'Eramo (2013) also recht zu behalten, wenn er hinter der Zuschreibung „Populismus“ eine nicht ganz zufällige Konfusion zu identifizieren meint: Divergierende politische Inhalte würden als artverwandt kategorisiert, links und rechts gleichgesetzt. Gleichwohl gibt es einen noch gravierenderen Unterschied zu früheren Zeiten: Seit Kurzem beziehen sich Teile der hiesigen Linken explizit positiv auf die Tradition eines linken Populismus und ernten dabei heftige Kritik von allen Seiten. Prominenteste Vertreterin ist die PODEMOS-Führungsriege in Spanien. Hierzulande zumeist auf die charismatischen Präsident*innen reduziert, ist der sogenannte progressive Zyklus Lateinamerikas (Brand 2016) positiver Referenzpunkt für sie, weshalb man mit einer gehörigen Portion Chuzpe nach einer Art Lateinamerikanisierung Europas rief (Errejón 2014).

Die Fronten zwischen Befürworter*innen und radikalen Gegner*innen eines linken Populismus verlaufen in dieser Auseinandersetzung althergebrachten Lagern zuwider. Aus liberaler Perspektive ist die Verwandtschaft zwischen rechtem und linkem Populismus seit jeher apodiktisch. Aber auch aus linker Ecke ist heftigste Kritik an der Idee zu vernehmen, dass ein Linkspopulismus die treffende politische Antwort auf die rasante Verschiebung nach rechts in Europa sein könnte. Die zentralen Argumente und theoretischen Bezugspunkte beider Seiten sind dabei folgende:

Antipluralismus, postmoderne Querfront oder Repolitisierung des Bestehenden?

Die liberale Position argumentiert, dass dem Populismus immer ein autoritäres Moment innewohne. Begründet wird dies mit einem antipluralistischen und undemokratischen Kern. Medienwirksam hat Müller (2016) diese These jüngst recycelt, sein Argument hingegen ist nicht neu: In den 1990er-Jahren schrieb etwa Nadia Urbinati, „[d]ie Ideologie des Populismus ersetzt Gleichheit durch Einheit und lehnt folglich sozialen und politischen Pluralismus ab.“ Beide stehen in einer Tradition, die stark durch die US-amerikanische Debatte inspiriert ist und sich an der US-Farmerbewegung und der People´s Party Ende des 19. Jahrhunderts abarbeitet. Schlüsselwerk ist hierbei Richard Hofstadters (1955) The Age of Reform, in dem er der Bewegung unter anderem verschwörungstheoretisches Denken und Antisemitismus unterstellt. Spätere Forschungen meldeten allerdings erhebliche Zweifel an seinen Argumenten und deren empirischen Grundlagen an (unter anderem Goodwyn 1976; Pollack 1960). Dem Werk Hofstadter ist deutlich sein zeitgeschichtlicher Kontext – die rezente Erfahrung des Faschismus in Europa und die McCarthy-Ära in den USA – anzumerken (Jäger 2017). Ähnliche Positionen dominieren auch die europäische Debatte, in der der Begriff sehr lange selbstredend mit dem rechten politischen Spektrum verknüpft war. Viele der führenden Wissenschaftler*innen kommen somit auch aus der Forschung zu rechten Parteien und Extremismus, weshalb die beiden Begriffe nicht selten beinahe deckungsgleich zur Anwendung kommen (Mudde 2007).

Die Referenzpunkte der Proponent*innen eines Linkspopulismus hingegen sind andere. Zentrale Bezüge sind die Theoriebaukästen Ernesto Laclaus und Chantal Mouffes sowie die über sie – leider oft fast ausschließlich – vermittelten Erfahrungen aus Lateinamerika. Es bestehen wichtige Unterschiede zwischen den konkreten Ausarbeitungen der beiden Theoretiker*innen, stark vereinfacht lässt sich jedoch sagen, dass Mouffe sich nach der gemeinsamen Veröffentlichung von Hegemony and Socialist Strategy (1985) vermehrt ihrer Idee einer Radikalen Demokratie sowie der Kritik an der liberalen Demokratie zuwandte. Laclau verfolgte im Gegenzug die Frage von politischen Identitäten weiter und machte sich an die Ausarbeitung einer allgemeinen politischen Ontologie. Während Letzterer vor seinem Tod 2014 politisch vor allem in Lateinamerika stark präsent war, hausiert Mouffe seit einigen Jahren mit ihrer Idee eines linken Populismus in Europa und zieht dabei sowohl den Unmut von liberaler Seite als auch Teilen der Linken auf sich. Trotz der Unterschiede gibt es mittlerweile eine Art Kanon an Versatzstücken in der hiesigen Rezeption, auf den sich bezogen wird, wenn von einem linken Populismus die Rede ist.

Laclau argumentiert in seiner 2005 veröffentlichten Schrift On Populist Reason, dass der Populismus eine repolitisierende und demokratisierende Kraft sein könne. Er sei weder eine Ideologie, Bewegung oder Regierungsform, sondern eine antagonistische Konstruktionsform des Politischen, eine spezifische Logik, die aber inhaltlich zunächst unbestimmt sei (Laclau 2005: xi; 34). Ausgeschlossene Forderungen würden in sogenannten Äquivalenzketten miteinander zu einer gemeinsamen Identität verknüpft, die sich in Abgrenzung zu einem Gegenüber konstituiere, welches die Forderungen ausschließe oder unerfüllt lasse. Populismus hat aus dieser Sicht eine „negativ-kontestatorische Funktion“ (Möller 2017: 247) und ist Ausdruck fehlender institutioneller Responsivität und autoritärer Ausschlüsse durch die bestehende Ordnung.

Laclau und Mouffe konstruieren ihre Begriffe auf einer äußerst abstrakten Ebene, gleichwohl liegt die Attraktivität ihrer Theorie wohl auch darin begründet, dass sich Bezüge zur aktuellen gesellschaftlichen Konjunktur nahezu automatisch herstellen und die daraus folgenden polit-strategischen Schlussfolgerungen auf der Hand zu liegen scheinen: Ausgehend von einer Kritik der neoliberalen Losung „There is no Alternative“, postdemokratischer Verhältnisse oder einem Parteienspektrum, in dem die klassischen Parteien programmatisch kaum noch zu unterscheiden sind, erscheint der anschließende Gedankensprung als logische Folge: Der Populismus wird als Möglichkeit der Repolitisierung gesehen, als ein Werkzeug, mit dem Bestehendes aufgebrochen und (delegitimierte) Forderungen wieder in die politische Arena eingespeist werden können.

Hierzulande historisch ausschließlich negativ konnotiert, provoziert die positive Referenz auf den Begriff des Populismus wenig verwunderlich starke Reaktionen. Die Kritik aus liberaler Sicht richtet sich erstens auf die Setzung des Konflikts als das konstitutive Element von Politik. Hinzukommt ein Unbehagen gegenüber einer Konzeption von Politik, die eine rein rationalistische Funktionsweise negiert. Diese Affirmation von kollektiven Identitäten in Abgrenzung zu einem Gegenüber wird als Keim eines undemokratischen Antipluralismus gelesen, der bis hin zu Vernichtungsphantasien des Gegenübers reichen kann. In diesen Punkten trifft sich die liberale Kritik mit jener von links, wie sie etwa Ingo Elbe (2017) vorträgt. Die von ihm diagnostizierte „postmoderne Querfront“ und deren autoritären Kern sieht er in Mouffes Bezügen zu Carl Schmitt begründet.

Eine zweite demokratiepolitische Gefahr wittert die liberale Perspektive in der Kritik an gesellschaftlichen Institutionen. Aus ihr wird eine Gefahr für die konkreten politischen Institutionen abgeleitet. Dieses Axiom einer Frontstellung zwischen Populismus und Institutionen zieht sich durch die Literatur zum Thema. Gleichwohl werden hier Überlegungen auf ontologischer Ebene kurzgeschlossen mit der Ebene des konkreten Settings an politischen Systemen, häufig ohne deren spezifische Eigenarten und historische Traditionen in Betracht zu ziehen.

Sowohl die rechte als auch linke Kritik bezieht sich somit zunächst einmal auf die Form und nicht den Inhalt des Populismus. Diese inhaltliche Leere wird in einem ersten Schritt auf theoretischer Ebene von Laclau und Mouffe zunächst nicht bestritten. Allerdings, so ihr Argument, macht die inhaltliche „Befüllung“ dieser Form den Unterschied zwischen einem linken oder rechten, einem demokratisierenden oder regressiven Populismus aus. Die Kritiker*innen hingegen sehen in Ersterem ein wahrhaftes Oxymoron: Die Logik des Populismus könne gleichgültig ihres Inhalts niemals demokratisierend sein.

Allerdings stößt diese stark aus der politischen Theorie kommende Kritik an ihre empirischen Grenzen. Oliver Marchart (2017) hat die liberale Position treffend als „liberalen Antipopulismus“ bezeichnet, der gleichfalls inhaltlich leer sei. Sie entlarve sich selber als primär politische, nicht analytische Position, da sie ihre Berührungsängste überraschend schnell ablege, wenn sich das eigene Lager des Populismus bediene. Sebastian Kurz in Österreich oder Emmanuel Macron in Frankreich verkörpern dann nicht etwa eine Bedrohung, sondern werden zu Rettern der Demokratie in Europa. Ferner werde dieser Antipopulismus selber zur viel größeren Gefahr: In seiner Inhaltsleere und Undifferenziertheit verstelle er den Blick auf die Ursachen aktueller gesellschaftlicher Krisen und grenze alternative Vorschläge kategorisch aus. Und auch an einem weiteren Punkt stoße die liberale Position an ihre Grenzen. Sie müsse zunächst einmal immer annehmen, „dass die schon konstituierten Verfahren ausreichende Spielräume für Einspruch und Kritik erlauben.“ (Möller 2017: 254) Genau das erscheint allerdings reichlich geschichtsvergessen. Die wenigsten demokratischen Errungenschaften wurden großmütig von oben erlassen, sondern mussten von unten, von den Ausgeschlossenen, und oft durch Überschreiten des Bestehenden erkämpft werden. Noch absurder erscheint das Argument allerdings mit einem Blick auf den globalen Süden: Die bereitgestellten institutionellen Kanäle dienten und dienen hier zumeist zur Bereicherung der Eliten und deren Machterhalt. Nur in den seltensten Fällen fungierten sie als Artikulationsorgane für breite Bevölkerungsteile.

Gleichwohl wirft auch der Vorschlag der Gegenseite, den Konflikt zentral zu setzen, viele Fragen auf. Laclaus Desinteresse an Institutionen und Aushandlungsprozessen ist schon früh kritisiert worden (Mouzelis 1978). Mouffes (2013) Unterscheidung zwischen Antagonismus/Agonismus und Feind/Gegner lässt wiederum offen, wie die Delimitationen des Feldes ihrer Radikalen Demokratie – wer verhandelt über was und mit welchen Mitteln? –, auf dem der politische Kampf ausgetragen werden soll, aussehen könnten. Zu Recht fragt sich Elbe (2017) in seinem Vortrag über Die postmoderne Querfront, mit welcher Begründung Mouffe zur repräsentativen Demokratie als institutionelles System zurückkehre. Löst man sich jedoch von dem Versuch, protofaschistische Elemente und den autoritären Charakter der Massen nachzuweisen, drängt sich der Verdacht auf, dass ihr politischer Vorschlag letztendlich doch relativ handzahm daherkommt. Bei dem, was hier dem Neoliberalismus entgegengestellt wird, schwingt eine gehörige Portion Nostalgie mit: Ihr Szenario für jene Zeiten, nachdem man mit dem „Werkzeug“ Populismus die verkrusteten Strukturen aufgebrochen hat, scheint nicht über einen Wettstreit aus guten alten Zeiten etwa zwischen „wahrhaften“ Sozialdemokraten und „richtigen“ Konservativen hinauszugehen.

Die Frage nach dem demokratisch-emanzipatorisch oder autoritär-regressiven Charakter eines Populismus lässt sich – wie an anderer Stelle argumentiert (Boos 2018; Boos/Schneider 2016) – aus Sicht des Autors auf dieser Flughöhe nicht entscheiden. So wie PODEMOS und Corbyn von Kritiker*innen ad hoc unter einer Kategorie subsumiert werden mit Trump oder Orbán, müsste auch für diese nach kurzem Innehalten augenscheinlich sein, dass es bedeutende inhaltliche Unterschiede gibt. Die Diskussion auf die vermeintliche Formverwandtschaft zu beschränken, trägt wenig zu einer differenzierten Debatte bei. Gewinnbringender erscheint stattdessen, die betrachtete politische Kraft in Bezug auf ihre politischen Inhalte und Maßnahmen, ihre Narrative und Identitäten sowie ihren institutionellen Charakter hin zu untersuchen. Dies soll im Folgenden kursorisch anhand von Argentinien und den Jahren der drei Kirchner-Regierungen (2003-15) geschehen. Sie gehörten zu jenen Regierungen, die von Kritiker*innen als Teil einer neuen Populismuswelle in Lateinamerika gesehen wurden. Im Gegenzug bezogen sich Leute wie Íñigo Errejón, strategischer Kopf hinter der linkspopulistischen Strategie von PODEMOS, immer wieder positiv auf sie.

Policies, Institutionen und Identitäten – Der Kirchnerismus in Argentinien

2001 war Argentinien bankrott. Nachdem man den Präsidenten im Dezember aus dem argentinischen Präsidentschaftspalast Casa Rosada verjagt hatte, geriet das politische System für die nächsten Jahre in eine tiefe Krise. Schließlich wurde 2003 Néstor Kirchner zum Präsidenten gewählt. Die nachfolgenden zwölf Jahre werden gemeinhin als Kirchnerismus bezeichnet, in denen der vormalige Gouverneur der Provinz Santa Cruz sowie seine Ehefrau Cristina Fernández de Kirchner das Land regierten. Dieser brach in Teilen mit dem Neoliberalismus der 1990er-Jahre, der das Land in die Krise gestürzt hatte. Der Staat nahm wieder eine aktivere Rolle ein. Der Mix aus unorthodoxen Maßnahmen erfuhr zunächst viel Anerkennung und Argentinien galt zeitweise sogar als Musterbeispiel für ein erfolgreiches Post-Krisenmanagement. Mit den internationalen Gläubigern wurde eine Schuldenrestrukturierung ausverhandelt und kleinere Kapitalverkehrskontrollen eingeführt. Auf nationaler Ebene sorgte man mit einem leicht unterbewerten, aber zunächst stabilen Peso dafür, dass die eigenen Exporte international konkurrenzfähig blieben, während man die eigene Industrie mit Importbeschränkungen zu schützen versuchte. Zudem kurbelte man die Binnennachfrage an, was zu einem Wirtschaftswachstum von bis zu zehn Prozent (2010) führte. Dieser „Konsumpakt“ (Boos 2017) zwischen Regierung und Bevölkerung ermöglichte der argentinischen Mittelklasse, ihr vormaliges Konsumniveau zurückzuerlangen. Die Arbeitslosigkeit konnte von über 20 Prozent (2003) auf sieben Prozent (2015) gesenkt werden und auch die ärmeren Bevölkerungsteile kehrten an den Arbeitsmarkt zurück, wenn auch häufig unter prekären Bedingungen. Zudem zentralisierte die Regierung die Sozialleistungen und führte etwa ein allgemeines Kindergeld für Arbeitslose ein (2009). Auch das Pensionssystem wurde wieder in staatliche Hand überführt. Von der Stabilität jener Jahre profitierten auch die reicheren Bevölkerungsteile, und Unternehmen fuhren hohe Gewinne ein. All dies sorgte dafür, dass Armut und extreme Armut während der Zeit des Kirchnerismus zurückgedrängt werden konnten. Gleichzeitig verringerte sich die Ungleichheit kaum, da nicht der bestehende Reichtum, sondern lediglich die Früchte des wirtschaftlichen Aufschwungs anders verteilt wurden.

Der Aufschwung hielt an bis 2011, obwohl sich 2008 und 2009 die globale Wirtschaftskrise in Argentinien bemerkbar machte. Ermöglicht wurde er durch eine Kombination aus extraktiver Entwicklungsstrategie, die stark auf Exporte von Agrarprodukten setzte – im Speziellen: Soja – und das Wiederbeleben der existierenden Produktionskapazitäten im Land. Allerdings verpasste man es in den Jahren nach 2011, strukturelle Anpassung vorzunehmen, sodass die rasant ansteigende Inflation die wirtschaftlichen Zugewinne langsam aufzufressen begann. Der Einbruch der Rohstoffpreise weltweit tat sein Übriges.

Neben den wirtschaftspolitischen Maßnahmen wurden unter dem Kirchnerismus einige Gesetze verabschiedet, die auch international viel Beachtung fanden. An der Erinnerungs- und Aufarbeitungspolitik hinsichtlich der Menschenrechtsverletzungen unter der letzten Militärdiktatur (1976-83) orientieren sich mittlerweile viele Länder in Lateinamerika und darüber hinaus. Néstor Kirchner hatte bereits zu Beginn seiner Amtszeit das Schlussstrichgesetz (1986) annulliert, sodass hochrangigen Militärs, die an den systematischen Folterungen und Ermordungen Oppositioneller beteiligt gewesen waren, der Prozess gemacht wurde. Das Mediengesetz (2009) wurde national und international ebenfalls breit unterstützt, weil es der für Lateinamerika charakteristischen Medienkonzentration entgegenwirken sollte. In der Praxis wurde es jedoch vor allem dazu genutzt, gegen die Clarín-Gruppe vorzugehen, die ab 2008/09 zu einer der bedeutendsten oppositionellen Kräfte des Kirchnerismus wurde. Unzweifelhaft hingegen scheint der demokratisierende Charakter der Gesetze zur gleichgeschlechtlichen Ehe (2010) sowie zur Selbstbestimmung der eigenen Geschlechteridentität (2012). Sie gehören im globalen Vergleich bis heute zu den weitreichendsten Gesetzen in diesem Bereich.

Wie bereits erwähnt, zielt eine zentrale Kritik am Populismus auf dessen Gefahr für die politischen Institutionen ab. Realiter bleibt häufig unklar, was hier konkret gemeint ist. Gerade vor dem Hintergrund der argentinischen Geschichte scheinen die betrachteten Jahre eher von Stabilität und – wenn auch stets partiellen und fragilen – Institutionalisierungsprozessen geprägt. Analysiert man die abgehaltenen Wahlen in jenen Jahren, sind diese über demokratiepolitische Zweifel erhaben. Auch die Unterstützung durch eine gesellschaftliche Mehrheit manifestierte sich etwa 2011, als Fernández de Kirchner im ersten Wahlgang mit 54 Prozent einen historischen Wert an Unterstützung auf sich vereinen konnte. Diese schwand rapide in ihrer zweiten Amtszeit, führte aber zu einer demokratischen Transition via Wahlen, als 2015 der rechte Gegenkandidat Mauricio Macri Präsident wurde. Rund um dessen Propuesta Republicana (PRO) hatte die Opposition während der Zeit des Kirchnerismus erstmalig in Argentinien eine neue politische Kraft abseits der beiden historischen Lager von Peronist*innen und Bürgerlichen etablieren können. Diese Form der Machttransition und die lange Phase politischer Stabilität sprechen eher für einen institutionalisierenden Charakter des Kirchnerismus.

Ähnliches gilt für die Annahme, der Populismus zeichne sich durch eine Machtkonzentration in der Exekutiven aus. Zweifelsohne spielten die Führungsfiguren jener Regierungen eine gewichtige Rolle. Institutionell gesehen scheint die hervorgehobene Bedeutung der Exekutiven jedoch weniger ein Spezifikum des Populismus zu sein, sondern vielmehr Eigenart des politischen Systems Argentiniens. Die Empirie lässt sogar genau gegenteilige Schlüsse zu: Etwa umging der amtierende Präsident Mauricio Macri den Kongress per Notfalldekret in den vergangenen zwei Jahren deutlich häufiger als seine Vorgängerin, allerdings weniger als Néstor Kirchner. Verwendet man einen Institutionenbegriff, der über das Setting an politischen Institutionen im engen Sinne hinausgeht, rücken zudem weitere Institutionalisierungsprozesse ins Blickfeld. So etablierte sich unter dem Kirchnerismus erneut eine Art Neokooperativismus. Während der zwölf Jahre kam es zur Wiedereinrichtung von gesetzlichen Tarifverhandlungen und unterschiedliche Interessenvertretungen gewannen wieder an Bedeutung. Gleichwohl blieben diese Prozesse sehr fragil und der tagespolitischen Konjunktur unterworfen. Soziale Bewegungen und Initiativen wurden oft kooptiert oder marginalisiert und Impulse stark in der Regierung monopolisiert. All diese Beispiele und die lange Phase politischer Stabilität zeugen somit eher von einem institutionalisierenden Charakter des Kirchnerismus als einer anti-institutionellen Bedrohung.

All diese Aspekte verschwinden aus dem Blickfeld, verweilt man lediglich auf jener Ebene der Imaginarien, auf die die Kritik der Populismus-Gegner*innen unterschiedlicher Couleur abzielt. Zur Erinnerung: Für sie besteht die autoritäre Gefahr darin, dass eine kollektive Identität, ein Wir, in Abgrenzung zu einem Gegenüber konstruiert würde, welches bitterlich bekämpft werden müsse. Doch selbst auf diskursiver Ebene bediente der Kirchnerismus zunächst stark einen Diskurs der Rekonsolidierung und Rückkehr zur Normalität. Während der Krisenjahre von 2001-2003 hatte neben radikalen Forderungen auch immer der Ruf nach einer Rückkehr zur Normalität koexistiert. Eben jenes Bedürfnis griff Kirchner geschickt auf. In seiner Antrittsrede appellierte er an die Bevölkerung, dass Argentinien wieder ein „ernsthaftes Land, ein normales Land“ werden müsse. Diesen Linien folgend verstand es die Regierung, in den ersten Jahren die Unterstützung diversester gesellschaftlicher Sektoren zu gewinnen. Als Gegenüber dienten einerseits jene vorangegangenen Krisenjahre – von Kirchner oft als die „Hölle“, aus der es zu entkommen gelte, bezeichnet. Andererseits stellten der Neoliberalismus der 1990er-Jahre und die Regierung Carlos Menems die Folien dar, gegen die man die eigenen Politiken abgrenzte. Den Strukturanpassungsplänen des IWF, der Privatisierung und der Verarmung der Bevölkerung wurde eine regionale Orientierung und neue Wertschätzung staatlicher Interventionen entgegengestellt. Diese aufgrund der Einbindung unterschiedlichster Lager als Transversalismus bezeichnete Politik wurde bis 2008/09 fortgesetzt.

Von diesem Zeitpunkt an beginnt der Kirchnerismus einen konfliktiveren Charakter anzunehmen. 2008/09 kam es zum sogenannten Agrarkonflikt mit den großen Agrarverbänden, der in weiterer Folge zu einem Bruch mit wichtigen Alliierten führte. Die Verbände hatten sich gegen die Einführung von flexiblen Ausführzöllen gewehrt und es erfolgreich geschafft, Teile der urbanen Mittelklasse für sich zu gewinnen. In den folgenden Jahren rekurrierte die Regierung immer häufiger auf den Konflikt als Form der politischen Mobilisierung. Besonders die Auseinandersetzung mit der Mediengruppe Clarín steht emblematisch für diese konfliktive Form der politischen Auseinandersetzung, welche Kritiker*innen als Kern des Populismus ausmachen. Allerdings wurde diese sowohl von Regierungsseite als auch der Opposition angeheizt. Während Erstere beispielsweise versuchte, die Macht des Medienkonzerns zu zerschlagen, und deren Berichterstattung öffentlich kritisierte, betrieb Letztere in der wichtigsten Tageszeitung des Landes einen – wie deren Chefredakteur Julio Blanck (2016) nach Ende der zweiten Amtszeit von Fernández de Kirchner erklärte – „Kriegsjournalismus“ gegen die Regierung.

Die mobilisierten Konflikte wirkten tatsächlich stark identitätsstiftend für die regierungsnahen Organisationen und Bewegungen, sodass es zu einer zunehmenden Polarisierung kam, in der es schwierig wurde, sich jenseits der beiden Lager von Kirchnerismus und Anti-Kirchnerismus zu positionieren. Geschickt bediente sich die Regierung einem national-populären Imaginarium, welches die Erfahrung der peronistischen Jugend und den Widerstand gegen die Militärdiktatur in den 1970er-Jahren wiederaufleben ließ (Svampa 2014). Allerdings: auch wenn diese Politikform für hiesige Verhältnisse befremdlich sein mag, stellt sie in den stark polarisierten lateinamerikanischen Gesellschaften – bis heute handelt es sich um den Kontinent mit der größten Ungleichheit weltweit – keine besondere Anomalie dar. Auch bewegte sie sich trotz ihres konflikthaften Charakter immer in einem demokratischen Rahmen.

Linkspopulismus: Oxymoron oder Alternative?

Wie verhält es sich also mit dem Populismus, dessen politischen Inhalt und einem intrinsisch anti-demokratischen Charakter? Der skizzierte Fall des Kirchnerismus verdeutlich, dass mit der Klassifikation „populistisch“ häufig zunächst einmal nicht viel gesagt ist. Der Kirchnerismus fällt unter Maßgabe der Argumente seiner Kritiker*innen sicherlich hierunter: Ohne Zweifel fand eine Politisierung via Konflikt und infolgedessen eine Polarisierung auf der Ebene der kollektiven Identitäten und politischen Lager statt. Allerdings gilt selbst dies nur für bestimmte Phasen. Ferner ist überaus fraglich, ob sich hierauf basierend ein allgemeines Verdikt des Autoritarismus sprechen lässt. In einer präziseren Analyse kommen die sozial- und gesellschaftspolitischen Demokratisierungen jener Jahre zum Vorschein. Diese wären jedoch weniger aufgrund eines vermeintlich populistischen Charakters zu kritisieren, sondern dahingehend, dass diese Transformationen zunehmend von oben kamen und die politische Initiative im Staat monopolisiert wurde. Realiter handelte es sich weniger um das autoritäre Schreckgespenst, wie Gegner*innen mit der Zuschreibung populistisch suggerieren, sondern vielmehr einen gemäßigten Reformismus, der durch partielles Eingreifen des Staates sozialpolitische Maßnahmen setze, wobei er auf der existierenden politischen Kultur und den Strukturen aufsetzte. Die Antwort auf die eingangs gestellt Frage führt also in die Tiefen der empirischen Analyse: Statt einen polittheoretischen Showdown auszurufen, sollten sich sowohl Befürworter*innen eines Linkspopulismus als auch Gegner*innen, die einen Protofaschismus wittern, die Mühe machen, in dieses unwegsame Terrain hinabzusteigen. Der Differenziertheit der Debatte wäre damit zweifelsohne ein Dienst erwiesen.

Bibliografie

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Bolívars Erben. Linksregierungen in Lateinamerika

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Atilio Boron

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Atilio Boron, Professor für politische Theorie an der Universität in Buenos Aires, Leiter des Lateinamerikanischen Fernstudienprogramms für Sozialwissenschaften (PLED) und Träger des UNESCO-Preises „José Martí“ des Jahres 2009, untersucht in seinem aktuellen Werk die Auswirkungen und Folgeerscheinungen der neoliberalen Globalisierung auf die Staaten Lateinamerikas. Diesbezüglich versucht Boron die unterschiedlichen nationalen Entwicklungswege nachzuzeichnen (u. a. in Brasilien, Argen...weiterlesen


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Frauen (und) Macht in Lateinamerika

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2013 (Studien zu Lateinamerika 25); 200 S.; brosch., 19,90 €; ISBN 978-3-8487-0758-4
Die Beiträge des Sammelbandes nehmen die Spezifika bei der (Neu‑)Konfiguration von Geschlechterrollen in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen Lateinamerikas in den Blick. Auf dem Kontinent ist seit der demokratischen Konsolidierung einiger ehemaliger Diktaturen eine teilweise bemerkenswerte Bewegung zu beobachten. So hat Argentinien 2012 „als erstes Land der Welt legalisiert, dass jeder und jede sein/ihr/siehr Geschlecht – unabhängig...weiterlesen


Nikolaus Werz

Argentinien

Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag 2012 (Analyse politischer Systeme 3); 207 S.; 12,80 €; ISBN 978-3-89974813-0
„Das argentinische System [ist] ein politisches System sui generis“ (12), konstatiert der Rostocker Politikwissenschaftler Nikolaus Werz. Vor allem präge der omnipräsente Peronismus das aktuelle politische System. Der Autor unternimmt nun den Versuch, die komplexe Struktur der argentinischen Gesellschaft und Politik kohärent zu erklären. Durch einen Periodisierungsversuch und einen kurzen geschichtlichen Abriss werden die historischen Gründe für die heutige Situation umfassend aufgez...weiterlesen


Peter Waldmann

Argentinien. Schwellenland auf Dauer

Hamburg: Murmann 2010; 230 S.; 19,90 €; ISBN 978-3-86774-106-4
Das „gespaltene Identitätsbewusstsein der Argentinier, ihr fragwürdiges Staatsverständnis, ihr exzessiver, Gesetze und Rechtsstaat eher geringschätzender Individualismus und schließlich ihr Hang zu Ad-hoc-Lösungen“ (173) stellen nach Ansicht von Waldmann, emeritierter Professor für Soziologie an der Universität Augsburg, ein „Bündel von Kausalfaktoren“ aus dem „sozialpsychologischen Bereich“ (172) dar. Auf diese Faktoren sei zurückzuführen, so die These seiner...weiterlesen


Peter Birle / Klaus Bodemer / Andrea Pagni (Hrsg.)

Argentinien heute. Politik, Wirtschaft, Kultur

Frankfurt a. M.: Vervuert Verlag 2010 (Bibliotheca Ibero-Americana 136); 498 S.; 2., vollst. neu bearb. Aufl.; 36,- €; ISBN 978-3-86527-594-3
Mit der neoliberalen Öffnung der Wirtschaft sei ein neuer Modernisierungszyklus eingeleitet worden, „für den die Konzentration von Privatkapital, der Rückzug des Staates und die soziale Segmentierung kein Problem darstellten” (316). Adrián Gorelik und Graciela Silvestri definieren damit den Faktor, der die gesamte jüngere Entwicklung Argentiniens bestimmte. In ihrer kompakten Analyse konzentrieren sich die beiden Autoren zwar auf Buenos Aires, verdeutlichen dabei aber auch wesentlich...weiterlesen


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