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Susanne Schanda

Literatur der Rebellion. Ägyptens Schriftsteller erzählen vom Umbruch

Zürich: Rotpunktverlag 2013; 251 S.; brosch., 29,90 €; ISBN 978-3-85869-536-9
Die Begeisterung über die Revolution in Ägypten ist der Ernüchterung gewichen. Aber trotz der entmutigenden Entwicklung seit 2011 ist doch zu fragen, wie es überhaupt dazu kam, dass sich große Teile der Bevölkerung wagten, massenhaft zu protestieren, um so den Präsidenten schließlich zum Rücktritt zu zwingen. Susanne Schanda findet einen gewichtigen Grund in der ägyptischen Belletristik, die lange Zeit nur von Intellektuellen zur Kenntnis genommen worden ist. Der Roman „Der Jakubijân‑Bau“ (2002) aber wurde von vielen Ägypter_innen gelesen, weil sie sich in dem von Korruption, sexueller Doppelmoral und Machtmissbrauch bestimmten Alltag der Protagonist_innen wiederfanden. Dieses und ähnliche, überraschenderweise vom Mubarak‑Regime nicht zensierte Werke wurden fortan in Cafés, sozialen Medien und unabhängigen Zeitungen diskutiert und gaben so den Anstoß zur Selbstreflexion, die nach Ansicht von Schanda die Bereitschaft zur Rebellion nährte. Die Autorin spürt in ihrem Buch genau dieser Verbindung zwischen belletristischer und realweltlicher Ebene nach und holt den ägyptischen Alltag unter Mubarak nah an die westeuropäischen Leser_innen heran: Sie bespricht die Handlungen der Romane, stellt sie den wirklichen sozialen und politischen Entwicklungen in Ägypten gegenüber und macht so deutlich, dass diese nicht „nur“ schöngeistig, sondern eben auch zutiefst politisch sein können. Andererseits stellt Schanda die Schriftsteller_innnen, mit denen sie auch persönlich gesprochen hat, als politische Aktivist_innen vor, die in ihren Werken nicht nur auf ihre individuelle Weise den Finger in die Wunde legten, sondern auch auf dem Tahrirplatz für ihre Überzeugungen demonstrierten. Schanda hat ein wirklich spannendes Buch geschrieben, das Lust darauf macht, die seit 2011 auch vielfach auf Deutsch und Englisch erschienenen Romane der Schriftsteller_innen zu lesen, die es vermochten, der ägyptischen Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten und die gleichzeitig „lebensprall, mit Humor, Verzweiflung und auch mal sarkastisch erzählen, wie die Menschen in dieser Region der Welt träumen, hassen, hoffen, denken und lieben“ (10 f.).
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.63 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Susanne Schanda: Literatur der Rebellion. Zürich: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36162-literatur-der-rebellion_43896, veröffentlicht am 12.09.2013. Buch-Nr.: 43896 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken