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Lukas Haffert: Stadt, Land, Frust: Eine politische Vermessung

15.03.2023
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Autorenprofil
Prof. Dr. Rainer Lisowski
München, C.H.Beck Verlag 2022

Lukas Haffert arbeitet die Kluft zwischen Stadt und Land als wirkmächtige politische Konfliktlinie der Gegenwart heraus. Die Grünen als Partei der (Innen-)Städte und die AfD als Partei der Peripherie seien die parteipolitischen Pole dieses Konflikts. Haffert eruiert ökonomische sowie kulturelle Hintergründe und beleuchtet ihre Folgen für das bundesdeutsche Parteiensystem. Rainer Lisowski lobt die gelungene empirische Unterfütterung des Buchs und betont, dass hierdurch die Perspektive der „politischen Geographie“ Einzug in die deutschsprachige Politikwissenschaft halte. (dk)


Eine Rezension von Rainer Lisowski

Obwohl Deutschland ein gemischtes Wahlsystem hat, dominiert hierzulande traditionell der Blick auf die „Zweitstimme“, also auf das proportionale Verhältniswahlrecht statt auf die „Erststimme“ samt Mehrheitswahlrecht. Aufgrund dieser Engführung verstellt sich die Politikwissenschaft hierzulande jedoch den Blick auf eine wichtige Perspektive, nämlich die der politischen Geographie. Dies liegt natürlich auch daran, dass diese in den USA oder im Vereinigten Königreich viel stärker ausgeprägt ist, da es dort für Parteien eine entscheidende Rolle spielt, wo man Stimmen gewinnt. In Deutschland ist es für Parteien hingegen nur von untergeordneter Bedeutung, ob sie ihre Stimmen im Norden oder im Süden, im Westen oder im Osten, in den Städten oder in den Dörfern gewonnen haben. Dass die politische Geographie in den kommenden Jahren aber eine deutlich stärkere Rolle spielen könnte, versucht Lukas Haffert mit seinem hervorragenden Band „Stadt, Land, Frust: Eine politische Vermessung“ deutlich zu machen.

Zunächst gilt es, sich klarzumachen, dass die Bundesrepublik Deutschland zwei bislang prägende politische Besonderheiten verloren hat: Das politische Deutschland 2021 ist weniger polyzentrisch als die alte Bundesrepublik; und mit Berlin ist eine alles überragende Metropole entstanden, die es so seit 1945 nicht mehr gab. Als zuerst verspätete und später dann geteilte Nation war die städtische Struktur der föderal organisierten Bundesrepublik Deutschland immer polyzentrischer als in anderen westlichen Demokratien. Entsprechend teilten sich in der Bonner Republik die großen Städte und Landeshauptstädte den kulturellen, ökonomischen und gesellschaftlichen Einfluss. Alles wirkte recht nivelliert; noch im Jahr 1995 stach Berlin unter den deutschen Spitzenstädten nicht sonderlich hervor. Wie anders sieht es heute aus, Berlin setzt in der bundesrepublikanischen Diskussion in der Regel den Ton und liegt objektiv gemessen in seiner Metropolfunktion in nahezu allen wichtigen Bereichen weit vor der Konkurrenz in Hamburg, München oder Frankfurt am Main (113 f.). Zudem habe auch das Ländliche zuletzt an politischem Einfluss verloren, so Haffert. Er arbeitet akribisch heraus, welche handfesten politischen Konflikte hinter dieser Entwicklung stehen, die die Bedeutung des ländlichen Raumes reduziert, die Bedeutung wichtiger Großstädte der alten Bundesrepublik auf provinzielle Größe verringert (117) und die Bedeutung Berlins immer weiter gesteigert haben.

Während öffentliche Diskussionen zum Thema Stadt und Land vor allem die ländlichen Räume in den Blick nehmen (und als „Entwicklungsdefizit“ ansehen, so die Ansicht des Rezensenten), betont Haffert, man müsse auch in den Städten einen Treiber der Spaltung und des schwelenden Konflikts suchen. „Die wachsende geographische Polarisierung des Parteiensystems geht gleichermaßen von Stadt und Land aus“ (47). Besonders eindrucksvoll fällt in dieser Hinsicht eine Grafik (48) aus, in der Haffert ein wesentliches Ergebnis seiner Forschung verdichtet. Darin sind die 299 bundesdeutschen Wahlkreise nach Bevölkerungsdichte aufgereiht und die Ergebnisse der letzten vier Bundestagswahlen seit 2009 für jeden Wahlkreis abgebildet. Zwei empirische Ergebnisse stechen direkt ins Auge: Erstens wird deutlich, dass sich die Parteien in Bezug auf den Wohnort ihrer Wählerinnen und Wähler früher relativ wenig voneinander unterschieden. Zwar schnitten die Grünen auch 2009 schon stärker in den Städten ab und die CDU war eher eine Partei des Ländlichen, insgesamt lagen die sechs großen Parteien aber relativ nah beieinander. Zweitens fällt auf, dass die Stadt-Land-Polarisierung der Parteien bei der letzten Bundestagswahl 2021 deutlich zugenommen hat. Mit der AfD habe sich eine dezidiert ländliche Partei herausgebildet (die CDU verharre als einzige Partei nahezu unverändert auf ihrer Position), die noch in viel stärkerem Maße als die CDU Wählerinnen und Wähler auf dem Land gewinnt. Demgegenüber hat sich die Wählerschaft der Grünen massiv weiter urbanisiert. Die Grünen sind dezidiert eine Partei der Städte. Selbst dann, wenn sie mittlerweile auch auf dem Land fast überall sicher über 5% landen. Ja, es lässt sich sogar noch weiter zuspitzen: Die Grünen sind eine Partei der Innenstädte. Oder, um es noch deutlicher auszudrücken: eine Partei des innerstädtischen Lebensgefühls.

Um dies empirisch belegen zu können, greift Haffert auf eine ebenso einfache wie überzeugende Gestaltung eines Proxies, also eines empirisch messbaren Stellvertreters zurück: Indem er die Anzahl der Mitglieder der Künstlersozialkasse (KSK) nach Postleitzahlen aufschlüsselt, erhält er ein perfekte „Indikatorpflanze“ für das Vorhandensein postmaterieller und universalistischer Wertvorstellungen. Schließlich ist seit den Untersuchungen von Richard Florida vor etwa 20 Jahren bekannt, dass Künstlerinnen und Künstler in einem universalistischen, kulturell von ihnen als offen wahrgenommenen Umfeld leben wollen. Der Vorteil dieses Vorgehens ist, dass die einzelnen Postleitzahlen jeweils lediglich nur 10.000 bis 20.000 Personen repräsentieren und damit deutlich kleinteiliger sind als Daten auf Wahlkreisebene. Das Ergebnis zeigt eindeutig: Je höher die Zahl der KSK-Versicherten, desto höher fällt das Wahlergebnis für Bündnis 90 / Die Grünen aus. Auf diese Weise gelingt es Haffert, selbst Wahlkreise wie beispielsweise Lüneburg - Lüchow Dannenberg, die sowohl urban als auch ländlich geprägt sind, zielgenau aufzuschlüsseln. Obwohl der Landkreis insgesamt eher ländlich geprägt sei, zeige sich empirisch, dass die Grünen in der Universitätsstadt Lüneburg mit relativ vielen KSK-Mitgliedern überdurchschnittlich gut abschneiden.

Während die Grünen also eindeutig den Städten zuzuordnen sind, müsse man aber vorsichtiger damit sein, die AfD als Vertreterin abgehängter Regionen zu bezeichnen, da sie beispielsweise auch in prosperierenden Regionen Süddeutschlands reüssiere. Allerdings zeige der Trend der AfD insgesamt in Richtung der Peripherie: „Während die AfD sich erst allmählich zu einer Partei der Peripherie entwickelt, sind die Grünen voll und ganz eine Partei der Zentren. Sie sind die Partei, die eigentlich im Fokus des wachsenden Stadt-Land-Gegensatzes in Deutschland steht“ (56). Vor diesem Hintergrund weist der Autor auf eine relativ skurrile Situation hin: Während im medialen politischen Diskurs intensiv darüber gegrübelt wird, wie man denn dem ländlichen Raum helfen könne (damit dort nicht mehr AfD gewählt wird), würde kaum jemand die Diskussion wünschen, wie man die Wählerinnen und Wähler der Grünen denn davon überzeugen könnte, wieder stärker Richtung der (ländlichen) Mitte der Republik zu rücken (153). Dabei sind es vor allen Dingen diese Wählerschichten, die sich immer stärker von den Positionen der übrigen Milieus in Deutschland entfernen.

Die Grünen versuchen zwar stets, die Bedeutung der Stadt-Land-Spaltung ihrer politischen Agenda rhetorisch herunterzuspielen (99). Dies sei für sie auch völlig ungefährlich, denn „[d]ie Identität von Städtern wird durch Urbanisierungsprozesse also nicht bedroht, sondern aufgewertet. Deshalb können sie es sich leisten, diese Identität als politisch nicht sonderlich relevant wahrzunehmen“ (37). Aber die Spaltung zwischen Stadt und Land ist nicht nur kulturell, sie ist auch ökonomisch-strukturell vorhanden. Und Haffert hat auch ein empirisch gut belegtes Argument, warum sie da ist: das Wirtschaftsmodell der Bundesrepublik Deutschland wandelt sich. Zum Teil dramatisch. Deutschland nimmt in zunehmendem Maße Kurs auf ein „digitales Wirtschaftsmodell“. Man könnte auch von einem sogenannten Modell der Wissensökonomie sprechen. Welche Räume haben einen Nutzen von einer stärkeren Verflechtung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft? Wo entstehen neue, digitale Geschäftsmodelle? Wohin verlagern immer mehr Firmen ihre Zentralen? Wohin ziehen immer mehr talentierte junge Menschen – und die Unternehmen ziehen ihnen nach? Die Antwort ist stets dieselbe: die Städte. Genauer gesagt, die wirtschaftlich wachsenden Städte mit einem pulsierenden Universitätsleben.

Damit vertieft sich auch materiell betrachtet die Spaltung und somit die Spannung in Deutschland. Um allerdings aus einer strukturell vorhandenen Konfliktlinie auch Stimmen für eine Partei generieren zu können, müssen die unterschiedlichen strukturellen Interessenslagen politisch aktiviert werden. Entsprechend überprüft Haffert das Mobilisierungspotenzial der „Städter“ und „Landbewohner“ anhand dieser politgeographischen Konfliktlinie. Auch hier trägt der Autor unterschiedliche empirische Ergebnisse zusammen beziehungsweise stellt die Ergebnisse einer eigenen Untersuchung vor (88-103) und kommt zum klaren Befund, dass sich die strukturellen Unterschiede politisch sowohl in der Stadt als auch auf dem Land mobilisieren lassen. Insbesondere jüngere Menschen identifizierten sich demnach besonders stark als Städter oder Landbewohner, was darauf schließen lässt, dass die Stadt-Land-Polarisierung künftig zunehmen werde. Dieser Befund helfe im Übrigen auch zu verstehen, warum die AfD bei jungen Wählerinnen und Wählern (auf dem Land) überraschend gut abschneide (96).

Haffert geht daher noch einen Schritt weiter und versucht nachzuweisen, dass auch der Politikbetrieb in Deutschland insgesamt deutlich urbaner geworden ist. Auch hier rechnet er eindrucksvoll vor, wie sich die Verteilung der Abgeordneten auf die Wahlkreise seit 1980 immer weiter urbanisiert hat. Was zum Teil natürlich auch mit der insgesamt gestiegenen Urbanisierung Deutschlands zu tun hat, vor allem aber mit der Selektion der Abgeordneten. Städtische Kreisverbände sind in der Regel mitgliederstärker und ihre Politikerinnen und Politiker haben bei der Elitenrekrutierung einen Vorteil, da sie über mehr Möglichkeiten verfügen, politische, mediale oder finanzielle Netzwerke zu knüpfen (139). All das sorgt für eine wachsende Ungleichverteilung im Parlament und damit für eine Frustration der ländlichen Räume. Man kann ihm zudem schwer widersprechen, wenn er darauf hinweist, dass heutzutage der Politikbetrieb größtenteils akademisiert ist und dass diejenigen, die ein Hochschulstudium abgeschlossen haben, in der Regel am Studienstandort urban gelebt haben und diese urbanen Werte selbst dann im Leben mit sich tragen, wenn sie wieder in den ländlichen Raum zurückkehren. Haffert stellt die plausible These auf, dass Politik heute noch stärker als früher durch einen professionalisierten Betrieb (Fraktionsgeschäftsstellen, Abgeordnetenbüros, Parteizentralen) gemanagt werde. Die Mitarbeitenden in diesem Politikbetrieb seien in der Regel urbaner sozialisiert als die Abgeordneten und lebten zum ganz überwiegenden Teil in den Landeshauptstädten oder eben in Berlin (145 ff.).

Interessant zu lesen ist auch Hafferts Exkurs zur Metropolkritik an der Bundeshauptstadt Berlin. Er zeigt, wie Berlin schon zu Zeiten des Deutschen Kaiserreichs harscher Kritik ausgesetzt war, die sich insbesondere während der Weimarer Zeit weiter verschärfte. Kritik an Berlin fungierte hier als Chiffre für eine allgemeine Modernisierungskritik. Nur in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Fall der Mauer wurde (West-) Berlin als „Leuchtfeuer der Freiheit“ vom ganzen Land hochgehalten. Seitdem stehe Berlin aber wieder im Kreuzfeuer der Kritik. Auffällig ist allerdings, dass sich die Kritik an Berlin von der „üblichen“ Metropolenkritik in anderen europäischen Staaten unterscheide. Während London und Paris in ihren jeweiligen Ländern als abgehobene Städte der politischen und ökonomischen Eliten beanstandet würden, fokussiere sich die Berlin-Kritik insbesondere auf Berlins kulturelle Eigenheiten, die vermeintliche politisch-administrative Dysfunktionalität und das Ausmaß links-alternativer und migrantischer Milieus. Entsprechend sei es nicht verwunderlich, dass die Berlin-Kritik vor allem von konservativer und rechtsextremer Seite ausgehe. „Deshalb gibt es linke Pariskritik oder linke Londonkritik, aber keine linke Berlinkritik“ (123).

In der Regel erwarten Leserinnen und Leser am Ende eines solchen politischen Sachbuchs Lösungsvorschläge für die meist umfangreich aufgeblätterten Probleme. Haffert entzieht sich bewusst dieser Erwartung, er betont im Gegenteil, dass wir mit der zunehmenden Stadt-Land-Polarisierung schlicht eine weitere Normalisierung des deutschen Politikbetriebs erleben. Andere westliche Demokratien hätten bereits seit Jahren eine stärkere politgeographische Konfliktlinie entwickelt, Deutschland sei in dieser Hinsicht eher ein Nachzügler. So liege die Fragmentierung des deutschen Parteiensystems nach der Bundestagswahl 2021 etwa auf dem Niveau der Niederlande im Jahr 2006. Haffert ist überzeugt, dass die Fragmentierung weiter zunehmen und die wiedererstarkte Stadt-Land-Konfliktlinie erheblich dazu beitragen werde.

Man muss Haffert nicht in jeder Einschätzung folgen. Dass die Wählerschaft der Grünen die Meritokratie hochhalten und sich stärker an der Chancengleichheit statt an der Ergebnisgleichheit orientieren würde, (86) darf aktiv bezweifelt werden. Dennoch ist Haffert ein exzellentes Buch gelungen, das allen Studierenden der Politikwissenschaft, die sich für ein Update der politischen Grundkonflikte der Bundesrepublik Deutschland interessieren, wärmstens ans Herz zu legen ist. Dies gilt nicht nur, weil es stets um empirische Belege der vorgebrachten Annahmen bemüht ist, sondern weil es stets auch den Blick in benachbarte politische Systeme wirft (insbesondere in die Schweiz), wodurch die Tendenzen in der politischen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland besonders markant hervorgehoben werden.

CC-BY-NC-SA
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Externe Veröffentlichungen

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