Macht und Ohnmacht des Grundgesetzes. Sechs Würzburger Vorträge zu 60 Jahren Verfassung
Anlässlich des 60. Geburtstages des Grundgesetzes werden mit den verschriftlichten Vorträgen unterschiedliche verfassungsrechtliche und rechtsmethodische Problemkreise beleuchtet. Da nahezu alle diskutierten Themen auch in der Politikwissenschaft kontrovers erörtert werden, dürfte der Band hier ebenfalls von besonderem Interesse sein. Anregend ist zunächst der Beitrag von Schulze-Fielitz, der entgegen der weitgehend belobigenden Urteile zum 60-jährigen Jubiläum nach einigen nicht-intendierten Schattenseiten des Grundgesetzes fragt. Im Mittelpunkt stehen dabei der Konflikt von Rechtsstaat und Demokratie, die Stellung der Parteien in Verfassungsrecht und -wirklichkeit sowie das Spannungsfeld von Bund und Ländern. Die von ihm geäußerte Kritik betrifft aber nicht allein das Grundgesetz, sondern auch einzelne Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, das zum Ersatzgesetzgeber aufsteigt. Dieser Prozess wird – so das Urteil von Schahl in ihrem Beitrag zur rechtlichen Würdigung des Auslandseinsatzes deutscher Streitkräfte – jedoch auch durch fehlende verfassungsrechtliche Grundlagen und politische Selbstblockaden intensiviert. Obwohl die Erfolgsgeschichte des GG von keinem der Autoren bestritten wird, zeigt sich in den erfrischenden Beiträgen insgesamt ein nicht unbeachtlicher Vorbehalt gegenüber dessen Überhöhung im Sinne der viel gepriesenen Ewigkeitsklausel (Art. 79, Abs. 3 GG). Dies wird insbesondere in den beiden letzten Beiträgen (Pache und Dreier) zur Europapolitik sowie zur Auslegung von Art. 146 GG deutlich, die sich – obwohl die Vorträge vor dem Lissabon-Urteil gehalten wurden – deutlich von der Position des BVerfG abheben.