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Kerstin Zimmer

Machteliten im ukrainischen Donbass. Bedingungen und Konsequenzen der Transformation einer alten Industrieregion

Berlin: Lit 2006 (Gesellschaftliche Transformationen 12); X, 237 S.; brosch., 29,90 €; ISBN 978-3-8258-9877-9
Politikwiss. Diss. Frankfurt a. M.; Gutachter: M. Tatur. – Zimmer betrachtet die Transformation in der Ukraine aus einem vorwiegend regionalen Blickwinkel und erklärt den fehlenden Strukturwandel in der schwerindustriellen Region Doneck von 1989-2004. Eingebettet in das soziologische Paradigma von Grapher (1993) zur Analyse von alten Industrieregionen und ihrer Entwicklung untersucht Zimmer das spezifische Geflecht von Netzwerken und kulturellen Milieus in der traditionsreichen ukrainischen Region. Im Zentrum stehen dabei die symbiotischen Beziehungen zwischen dem politisch-administrativen System und der Industrie, die – so ein Fazit – die Reorganisation nach 1989 verhinderte und politische Innovationen lähmte. Charakteristisch für die Kutschma-Ära war dabei der neo-patrimoniale Charakter des politischen Systems, der – als Bestandteil des postsowjetischen Erbes gewertet – auf Loyalität und Gehorsam basierte und die regionalen Clanstrukturen bis in die oberste nationale Ebene widerspiegelte. Die hierarische Struktur der regionalen Oligarchen war demnach der Loyalität zu höher stehenden Patronen und dem Präsidenten geschuldet und wurde in erster Linie durch Privilegien und Lizenzen für den Handel mit strategisch wichtigen Gütern wie Energieträgern oder Stahlprodukten belohnt. Als Besonderheit des ukrainischen Clansystems arbeitet Zimmer dabei den Typ des „violent entrepreneurs“ (77) heraus, der besonders in der Umbruchphase durch die Verschmelzung von wirtschaftlicher und politischer Macht zu erheblichem regionalen Einfluss gelangte und sich in seinem Selbstverständnis als regionaler Manager versteht. Aus dieser Vermachtung des regionalen – und in zweiter Konsequenz auch nationalen – Marktes heraus, konnte dieser keine kreative Funktion im Schumpeter'schen Sinne entfalten. Die Herausforderung neuer Anreize an die Handlungsrationalität der regionalen Akteure durch die angestrebte WTO-Mitgliedschaft sowie die sich abzeichnende Expansion auf EU-Märkte zwingt die Akteure jedoch, so die Prognose der Autorin, sich den internationalen Anforderungen des Corporate Governance und einer größeren Transparenz anzupassen; auch seien aus dem neuen kulturellen und politischen Umfeld heraus weitere Lernprozesse zu erwarten, die die statischen Machtstrukturen aufbrechen werden.
Anja Franke-Schwenk (AF)
Dr. des., wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften (Bereich Politikwissenschaft), Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.61 | 2.2 | 2.24 Empfohlene Zitierweise: Anja Franke-Schwenk, Rezension zu: Kerstin Zimmer: Machteliten im ukrainischen Donbass. Berlin: 2006, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/28362-machteliten-im-ukrainischen-donbass_33404, veröffentlicht am 21.05.2008. Buch-Nr.: 33404 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken