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André Fleck

Machtfaktor Diaspora? Armenische Interessenvertretung in Deutschland

Berlin: Lit 2014 (Politik, Gemeinschaft und Gesellschaft in einer globalisierten Welt 17); 377 S.; brosch., 34,90 €; ISBN 978-3-643-12762-4
Politikwiss. Diss, Dresden; Begutachtung: W. Ismayr, K.‑H. Schlarp. – Die weltweite armenische Diaspora umfasst mehr Menschen als es Staatsbürger in Armenien gibt. Das ist schon ein Hinweis auf ihre große Bedeutung. Das Hauptziel ihres politischen Engagements ist die Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern von 1915/16 durch das Osmanische Reich. Als Konsequenz erfolgreicher pro‑armenischer Lobbyarbeit sei es in einigen Ländern schon dazu gekommen, schreibt André Fleck, dass die Beziehungen des Gastlandes zur Türkei negativ beeinflusst worden seien. Er untersucht nun, wie armenische Diaspora‑Organisationen in Deutschland ihre politischen Interessen organisieren und durchzusetzen versuchen und welche Erfolge sie damit haben. Aufgrund der engen deutsch‑türkischen Beziehungen und der großen türkischen Minderheit in Deutschland seien diese Aktivitäten von besonderem Interesse. Für seine Untersuchung wählte der Autor den Advocacy‑Koalitionsansatz. Er interviewte in einem halbstandardisierten Verfahren 26 Experten, darunter Parlamentarier und ihre Mitarbeiter, Wissenschaftler, Journalisten, Verbandsfunktionäre und armenische Sachverständige. Außerdem analysierte er Fraktionsanträge im Bundestag, Medienberichte, Pressemitteilungen und weitere relevante Dokumente. Fleck beschreibt ausführlich die Beziehungsgeschichte zwischen Akteuren und Organisationen in der pro‑armenischen Bewegung in Deutschland. Er resümiert, dass es sich bei der Bewegung nicht wie vermutet „um ein vielfach vernetztes und auf mehreren Ebenen etabliertes, homogenes Gebilde“ (327) handelt. Es habe im Gegenteil an einer gemeinsamen Strategie, effektiver Koordination, politischen Kompetenzen, Basisbeteiligung und finanziellen Mitteln gemangelt. „Die armenische Diaspora in der Bundesrepublik war aus eigener Kraft nicht imstande, [...] erfolgreich in die Willens‑ und Entscheidungsfindung deutscher politischer Institutionen einzugreifen.“ (340) Geholfen habe ein „armenophile[r] Sympathisantenkreis“ deutscher Wissenschaftler. Diese seien ausschlaggebend dafür gewesen, dass sich die pro‑armenische Koalition gegen pro‑türkische Akteure in der Frage der Völkermord‑Anerkennung durchsetzen und die Deutungshoheit in der deutschen Debatte erringen konnte. Insbesondere sei es gelungen, wichtige Landes‑ und Bundespolitiker von den eigenen Standpunkten zu überzeugen und eine verstärkte Medienaufmerksamkeit zu erzeugen.
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Rubrizierung: 2.3312.352.634.422.321 Empfohlene Zitierweise: Wolfgang Denzler, Rezension zu: André Fleck: Machtfaktor Diaspora? Berlin: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38222-machtfaktor-diaspora_46582, veröffentlicht am 26.03.2015. Buch-Nr.: 46582 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken