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Martina Sochin D'Elia

"Man hat es doch hier mit Menschen zu tun!" Liechtensteins Umgang mit Fremden seit 1945

Zürich: Chronos Verlag 2012; 374 S.; geb., 39,50 €; ISBN 978-3-0340-1142-6
Diss. Freiburg/Schweiz; Begutachtung: U. Altermatt, M. Furrer. – Wenngleich seit den 1970er‑Jahren etwa jeder Dritte in Liechtenstein Lebende ausländischer Herkunft ist und Begegnungen mit Menschen anderer Kulturen und Nationen zum Alltag gehören, hat die Diskussion über vermeintliche Überfremdung sowie Forderungen nach einem Zuwanderungsstopp nicht vor den Grenzen des Landes Halt gemacht. „Die vorliegende Studie beabsichtigt, Fragen nach der Wahrnehmung und dem Umgang der liechtensteinischen Aufnahmegesellschaft mit den Fremden seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nachzugehen“ (17). Die Autorin untersucht die Wahrnehmungsprozesse und Umgangsformen auf drei Ebenen: Staat (Behörden und Regierung), Institutionen (wirtschaftliche und karitative Einrichtungen sowie Verbände und Vereine) und Alltag. Mit der dritten Ebene konzentriert sie sich auf die Wahrnehmung und den Umgang der „heimischen“ Bevölkerung, die für Liechtenstein noch nicht in diesem Umfang in Untersuchungen einbezogen wurde. Um sich dem Thema zu nähern, stellt Martina Sochin D’Elia ihrer Untersuchung historische und gleichzeitig analytische Definitionen von Wahrnehmung, Umgang und Fremdheit voran. Sie unterscheidet zwischen Heirats‑, Arbeits‑ und Fluchtmigration und analysiert vorwiegend Regierungs‑ und Verwaltungsakten aus dem liechtensteinischen Landesarchiv vor dem Hintergrund dieses theoretischen Rasters und anhand zeitlicher Zäsuren. Wie Sochin D‘Elia zeigt, wurden die im Fürstentum aufgenommenen Flüchtlingsgruppen gut und aktiv von allen drei Ebenen aufgenommen – gerade Flüchtlinge aus den kommunistischen Staaten galt es in der Wahrnehmung der Liechtensteiner aus dem Einflussbereich der Sowjetunion zu retten. Die Einbürgerungsversuche von Kindern liechtensteinischer Mütter hingegen verliefen kontroverser. So setzten sich zwar Behörden und staatliche Institutionen in den 1970er‑Jahren für eine umkompliziertere Einbürgerung ein, allerdings war dieser Vorschlag bei den männlichen Wählern heftig umstritten. Die (italienischen) Arbeitsmigranten wiederum wurden fast ausschließlich von der institutionellen Ebene wahrgenommen, fanden aber kaum Beachtung in der Bevölkerung.
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.61 | 4.42 | 2.22 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Martina Sochin D'Elia: "Man hat es doch hier mit Menschen zu tun!" Zürich: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35811-man-hat-es-doch-hier-mit-menschen-zu-tun_43476, veröffentlicht am 02.05.2013. Buch-Nr.: 43476 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken