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Wolfgang Leonhard

Meine Geschichte der DDR

Berlin: Rowohlt 2007; 268 S.; geb., 19,90 €; ISBN 978-3-87134-572-2
Dort wo Leonhards großes Werk „Die Revolution entlässt ihre Kinder“ aufhört, setzt sein heutiger Rückblick ein: Nach einer kurzen Vorgeschichte zu seiner Rückkehr aus der Sowjetunion, der Verhaftung seiner Mutter, den Bemühungen um den Wiederaufbau Deutschlands nach dem Krieg und den politischen Umbrüchen innerhalb der SED widmet sich Leonhard seiner Zeit in Jugoslawien, dem Bruch mit dem Kommunismus und den damit verbundenen Anfeindungen und persönlichen Enttäuschungen (so verurteilt sein in Paris lebender Vater – selbst überzeugter Kommunist – die Flucht des Sohnes als Verrat). Weiterhin beschreibt er seine Übersiedlung in die BRD, die Ent-Stalinisierung der DDR, die Absetzung Ulbrichts, Repressalien und steigende Republikfluchten unter Honecker, den wirtschaftlichen Niedergang und schließlich die friedliche Revolution. Zwar kann Leonhard nicht an die Brisanz seines überragenden ersten Werkes anknüpfen, dennoch wird hier ein sehr spannendes Stück Zeitgeschichte interessant und schnörkellos nachgezeichnet. Viele kaum noch bekannte Persönlichkeiten der DDR und Jugoslawiens erhalten ein historisches Profil. Bestimmte Sachverhalte erlangen eine ganz neue Bedeutung, wie z. B. die Schilderung der „Ulbrechtisierung der Partei“ (99), die sich 1947 fernab jeglicher medialer Berichterstattung vollzog und fatale Auswirkungen für die auch von der Sowjetunion anfänglich noch unterstützten demokratischen Bestrebungen eines gesamtdeutschen Wiederaufbaus hatten. Leonhards Erinnerungen bestechen vor allem durch eine uneitle und selbstkritische Rückblende – bedenkt man seine hoch angebundene Funktion in der „Gruppe Ulbricht“ und danach – und beeindruckende Schilderungen von seinem Leben im „real existierenden Kapitalismus“ (127). Ganz ohne Verbitterung schließt sein Buch mit dem Aufruf, bei der Aufarbeitung der DDR-Geschichte statt auf Bestrafung der mutmaßlich Schuldigen (inklusive der IM) lieber auf Versöhnung zu setzen. Dabei müsse die Erinnerung an diejenigen Bürger aufrecht erhalten werden, die für ihre Ideale einstanden und damit viele persönliche Opfer brachten.
Eva Voß (EV)
Dr., Politikwissenschaftlerin, Senior Referentin für Diversity Management bei der Bertelsmann AG.
Rubrizierung: 2.314 Empfohlene Zitierweise: Eva Voß, Rezension zu: Wolfgang Leonhard: Meine Geschichte der DDR Berlin: 2007, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/27534-meine-geschichte-der-ddr_32295, veröffentlicht am 16.08.2007. Buch-Nr.: 32295 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken