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Karin Gabbert / Wolfgang Gabbert / Bert Hoffmann / Albrecht Koschützke / Klaus Meschkat / Clarita Müller-Plantenberg / Urs Müller-Plantenberg / Eleonore von Oertzen / Lioba Rossbach de Olmos / Juliana Ströbele-Gregor (Hrsg.)

Migrationen

Bad Honnef: Horlemann 1999 (Lateinamerika. Analysen und Berichte 23); 224 S.; brosch., 29,80 DM; ISBN 3-89502-104-0
In der Erforschung der Migration besteht die zentrale Herausforderung darin, politische und ökonomische Prozesse auf der Makroebene in einen überzeugenden Zusammenhang mit der individuellen Entscheidung auf der Mikroebene zu bringen. Das kritische Lateinamerika-Jahrbuch diskutiert die Folgen dieser weltweiten Wanderungsbewegungen am Beispiel der lateinamerikanischen Länder und stellt Kontinuitäten fest. "Freiwillige oder erzwungene Mobilität stellt also in der Geschichte Lateinamerikas nicht die Ausnahme, sondern die Normalität dar." (8) Ungeachtet dieser Kontinuitäten weisen die Migrationsbewegungen neue Eigenarten auf. Migration ist nur noch teilweise durch einen in "push"- und "pull"-Faktoren aufgeteilten Prozess zu erklären. Das alte Szenario der defizitären Situation in der Herkunftsgesellschaft ("push"-Faktor) und der Arbeitskräfte aufsaugenden und Wohlstand versprechenden Aufnahmegesellschaft ("pull"-Faktor) verdeckt den Blick darauf, dass Migration nicht einmalig und unilinear ist, sondern ein langandauernder Prozess auf verschiedenen Ebenen. Auf der Makroebene entstehen "Links" durch Rücküberweisungen der Migranten, neue Verkehrswege oder zwischenstaatliche Verträge. Auf der mittleren Ebene sind die vielfältigen Kontakte zwischen ausgewanderten und zurückgebliebenen Menschen von Bedeutung, die in der Forschung unter dem Stichwort "Netzwerke" (12) zusammengefasst werden. Die Mikroebene ist "plurilokal: die Einzelperson ist an mehreren Orten ökonomisch, sozial und kulturell verankert, kann im Laufe ihres Lebens mehrere Umsiedlungen beschließen und solche Entscheidungen auch wieder zurücknehmen" (13). In der Entwicklungssoziologie wird dieses Phänomen mittlerweile mit dem Konzept der "transnationalen sozialen Räume" (39) erforscht, weil in ihnen die materiellen Artefakte, sozialen Praktiken und Symbolsysteme der Migrantinnen und Migranten angemessener erfasst werden. "Diese transnationalen sozialen Räume sind nicht nur transitorischer Natur, sondern auf Dauer zwischen und oberhalb der in nationalstaatlichen verfaßte 'Gesellschaftsbehälter' eingefaßten Herkunfts- und Ankunftsregionen verankert." (50) Aufgrund der Kombination aus einem Schwerpunkthema und Länderberichten bietet das kritische Jahrbuch eine kurzweilige Lektüre, die schnell einen Überblick der aktuellen Trends in Lateinamerika vermittelt. Inhalt: I. Analysen: Ninna Nyberg Sorensen: Mobile Lebensführung zwischen der Dominikanischen Republik, New York und Madrid (16-38); Ludger Pries: Transnationale soziale Räume zwischen Nord und Süd. Ein neuer Forschungsansatz für die Entwicklungssoziologie (39-54); Thomas Winschuh: Die Nachfrageseite der Migration: die USA als Arbeitsmarkt (55-72); Pedro Monreal: Migration und Überweisungen: Anmerkungen zum Fall Kuba (73-96); Elke Schäfer / Susanne Schultz: Putzen, was sonst? Latinas in Berlin: Bezahlte Hausarbeit als Arbeitsmarkt für Migrantinnen (97-110); Nora Segura Escobar: Flucht und interne Vertreibung in Kolumbien (111-135); Ruth Stanley: Nachholende Modernisierung durch Wissenschaftsmigration? Anwerbung und Einsatz deutscher Rüstungsfachleute in Argentinien und Brasilien nach 1945 (136-154). II. Berichte: Thomas Fatheuer: Brasilien: Eine Schadensbesichtigung (156-167); Urs Müller-Plantenberg: Chile: Keine Angst vor Sozialismus (168-177); Mike McCormack: Ein Blick auf Guyana (178-187); Juan Ramon Durán / Ludgera Klemp: Honduras nach dem Wirbelsturm: zwischen Autoritarismus und Bürgerbeteiligung (188-199); Albrecht Koschützke: Oh, wie schön wird Panama (200-211); Dorothea Melcher: Venezuela: eine friedliche Revolution? (212-223).
Wilhelm Johann Siemers (Sie)
Dipl.-Politologe, Journalist, Redakteur der Sprachlernzeitschrift vitamin de, Florenz.
Rubrizierung: 2.65 | 4.42 Empfohlene Zitierweise: Wilhelm Johann Siemers, Rezension zu: Karin Gabbert / Wolfgang Gabbert / Bert Hoffmann / Albrecht Koschützke / Klaus Meschkat / Clarita Müller-Plantenberg / Urs Müller-Plantenberg / Eleonore von Oertzen / Lioba Rossbach de Olmos / Juliana Ströbele-Gregor (Hrsg.): Migrationen Bad Honnef: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/12309-migrationen_14704, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 14704 Rezension drucken