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Klaus Poier

Minderheitenfreundliches Mehrheitswahlrecht. Rechts- und politikwissenschaftliche Überlegungen zu Fragen des Wahlrechts und der Wahlsystematik

Wien/Köln/Graz: Böhlau Verlag 2001 (Studien zu Politik und Verwaltung 73); 379 S.; 39,80 €; ISBN 3-205-99338-1
Politik- und rechtswiss. Diss.; Gutachter: W. Mantl, J. Marko. - Poier legt einen Vorschlag für ein Mehrheitswahlsystem in Österreich vor, welcher im Kern darin besteht, dass die stimmenstärkste Partei die Hälfte plus eins der Mandate erhält. Alle übrigen Mandate sollen verhältnismäßig auf die anderen Parteien verteilt werden. Dieses Modell soll garantieren, dass alle Parteien, die beim gegenwärtigen Wahlsystem im Parlament vertreten sind, - bei gleicher Stimmenzahl - auch weiterhin vertreten wären. In diesem Sinne versteht der Autor seinen Vorschlag als ein "minderheitenfreundliches Mehrheitswahlsystem". Neben diesem praktischen Bezug will die Arbeit auch einen Beitrag zur theoretischen Debatte - genauer: zur Unterscheidung und Einordnung von Wahlsystemen - liefern. In Kapitel II werden zunächst aus theoretischer Sicht die technischen Grundlagen der Wahlsystematik behandelt. Poier fragt dabei insbesondere nach der Unterscheidung von Mehrheits- und Verhältniswahlrecht. Der Autor vertritt die These, dass die bisherige Zugangsweise der Wahlsystemforschung, die von einem Kontinuum der Wahlsysteme zwischen Mehrheits- und Verhältniswahl ausgeht, unbefriedigende Ergebnisse bringt. Poier legt einen neuen "bi-(multi)-axialen" (20) Ansatz dar, der ein besseres Verständnis und eine höhere Effektivität in der Einordnung von Wahlsystemen ermöglichen soll. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit den aktuellen Rahmenbedingungen für die Ausgestaltung des Wahlrechts in Österreich. Hier versucht Poier nachzuweisen, dass das derzeitige österreichische Wahlsystem nur eingeschränkt funktional ist. Defizite sieht er vor allem im Bereich der Effektivität hinsichtlich der Regierungsbildung sowie im Bereich des Einflusses des Wählers auf die Machtverteilung in der Regierung. Im vierten Kapitel wird der Reformvorschlag Poiers zunächst vorgestellt und anschließend hinsichtlich der Auswirkungen auf das politische System Österreichs (Parteiensystem, Repräsentation, Chancen kleiner Parteien, Partizipation, etc.) bewertet. Die Perspektiven einer baldigen Realisierung des von ihm vorgeschlagenen Modells eines minderheitenfreundlichen Mehrheitswahlrechts schätzt Poier abschließend aber als "eher gering" (337) ein. Denn eine Wahlrechtsreform, die nicht zum offensichtlichen Vorteil der SPÖ sei, habe angesichts der Sperrminorität der SPÖ auch kaum Chancen, realisiert zu werden.
Sven Christian Singhofen (SCS)
M. A., Doktorand, Institut für Sozialwissenschaft (Bereich Politikwissenschaft), Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.22 | 2.4 Empfohlene Zitierweise: Sven Christian Singhofen, Rezension zu: Klaus Poier: Minderheitenfreundliches Mehrheitswahlrecht. Wien/Köln/Graz: 2001, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/14039-minderheitenfreundliches-mehrheitswahlrecht_16820, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 16820 Rezension drucken