Skip to main content
Eran Gündüz

Multikulturalismus auf Türkisch? Debatten um Staatsbürgerschaft, Nation und Minderheiten im Europäisierungsprozess

Bielefeld: transcript Verlag 2012 (Kultur und soziale Praxis); 259 S.; 31,80 €; ISBN 978-3-8376-2109-9
Diss. Frankfurt a. M.; Begutachtung: U. Apitzsch, L. Inowlocki. – Lange Zeit waren der kemalistischen Staatsdoktrin der Türkei Kategorien wie Minderheiten oder Kurden vollkommen fremd. Das rigide und auf Homogenität setzende Nationenverständnis wurde erst in den 1980er‑Jahren im Zuge der öffentlichen Debatte über Nation, Staatsbürgerschaft und ethno‑kulturelle Gruppen infrage gestellt. Vor diesem Hintergrund liegt Eran Gündüz’ Fokus „neben einer historisch‑begrifflichen Analyse der Genese dieser Problematik im türkischen Kontext […] auf den politischen und sozialwissenschaftlichen Auseinandersetzungen ab den 1980er‑Jahren und besonders 1990er‑Jahren, die angesichts von Anerkennungsforderungen seitens ethno‑kultureller Gruppen daraufhin untersucht werden, welche Konzepte die Politik und die Sozialwissenschaften für eine ‚inklusive Staatsbürgerschaft’ formulieren“ (15). Gündüz erarbeitet zunächst die theoretische Basis, um dann das türkische Nationenverständnis und die Herausbildung des Nationalstaates in der Türkei zu analysieren und dies in Verbindung mit dem Begriff der Staatsbürgerschaft zu bringen. Daran anschließend widmet er sich der Problematik der Integration und Anerkennung von ethno‑kulturellen Gruppen in der Türkei und geht dabei explizit auch auf den gegebenenfalls vorhandenen Einfluss der von der Türkei angestrebten EU‑Mitgliedschaft ein. Der Autor arbeitet unter anderem heraus, dass sich in der politischen und sozialwissenschaftlichen Diskussion zwei Parteien gegenüberstehen: Es gibt Anhänger des offiziellen Nationenverständnisses, für die jeder Staatsbürger unabhängig von seiner ethnischen Herkunft Türke ist. Grundsätzlich sei es für solch ein Nationenverständnis möglich, Differenzen zwischen Türken anzuerkennen, sodass auch Kurden als Türken gelten könnten. Demgegenüber hält die Gegenseite dass Türkisch‑Sein für eine ethnische Kategorie, die – so Günduz – andere Gruppen exkludiere. Diese Auffassung stoße bei Minderheitenangehörigen allerdings auf Kritik, weil sich von diesem Standpunkt aus eine Politik der Assimilation begründen lasse.
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.63 | 3.1 | 4.42 | 2.2 | 2.21 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Eran Gündüz: Multikulturalismus auf Türkisch? Bielefeld: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/9280-multikulturalismus-auf-tuerkisch_43275, veröffentlicht am 04.04.2013. Buch-Nr.: 43275 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken