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Eva-Maria Hohaus

Multikulturalismus in Theorie und Praxis – eine produktive Spannung?

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2015 (Nomos Universitätsschriften: Philosophie 1); 301 S.; 59,- €; ISBN 978-3-8487-1776-7
Diss. Würzburg; Begutachtung: K. Mertens, H.‑J. Lauth. – Die Frage nach dem Umgang mit gesellschaftlicher Vielfalt und kultureller Differenz im demokratischen Rechtsstaat ist für Eva‑Maria Hohaus „eine Schlüsselfrage unserer Zeit“ (18). Von der grundsätzlichen Überlegung ausgehend, dass Theorien auf empirischen Annahmen beruhen und umgekehrt soziale Praxis kein theoriefreier Raum ist, greift Hohaus das von vielen Seiten zum Scheitern verurteilte Konzept des Multikulturalismus auf, um „die bislang nur theorieimmanent vorgetragene Kritik […] um das Element einer empirisch fundierten Kritik zu erweitern“ (27). Hierfür stellt sie zunächst die wesentlichen theoretischen Strömungen des Multikulturalismus dar: Während differenzbetont‑normative Ansätze Kultur und Religion als Ursachen für mögliche Ungleichbehandlung von Minderheiten identifizieren, stellen analytisch‑explanatorische Ansätze auf eine soziökonomisch begründete Benachteiligung ab und historisch‑soziologische Ansätze schließlich versuchen beide Perspektiven zu verbinden. Hohaus arbeitet zudem die jeweiligen empirischen Prämissen der drei Ansätze heraus, die sie den drei Kategorien Benachteiligung, personale Identität und Gruppenidentität zuordnet. Anschließend konfrontiert sie die dargelegte Theorie mit der sozialen Praxis des Multikulturalismus am Beispiel der islamischen Minderheit in Deutschland. Herangezogen werden dazu drei gesellschaftliche Debatten: die Kopftuch‑Kontroverse, die Auseinandersetzung um die rituelle Schlachtung sowie die Konflikte um den Bau von Moscheen. Inwieweit bildet die Theorie nun die Realität ab? Hohaus kommt zu dem Schluss, dass jeder der drei Ansätze „an der Komplexität der sozialen Praxis im Hinblick auf die Spannungen und Kontroversen um den Islam in Deutschland scheitert“ (223). Gleichwohl weist jeder Ansatz Stärken auf, die die Autorin abschließend herausstellt und für eine Integration von anerkennungstheoretischen und sozioökonomischen Fragestellungen für eine normative Fundierung sozialer Gerechtigkeit fruchtbar macht. Damit bietet diese sozialphilosophische Studie Anknüpfungspunkte für eine Neustrukturierung und Erweiterung der akademischen Debatte.
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Rubrizierung: 5.422.35 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Eva-Maria Hohaus: Multikulturalismus in Theorie und Praxis – eine produktive Spannung? Baden-Baden: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38766-multikulturalismus-in-theorie-und-praxis--eine-produktive-spannung_47000, veröffentlicht am 20.08.2015. Buch-Nr.: 47000 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken