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Will Kymlicka

Multikulturalismus und Demokratie. Über Minderheiten in Staaten und Nationen. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Karin Wördemann

Hamburg: Rotbuch Verlag (Rotbuch Rationen); 110 S.; brosch., 24,- DM; ISBN 3-434-53046-0
Die Ausführungen betreffen nahezu jede liberale Demokratie der Gegenwart, da für jede die Frage nach dem Stellenwert der Kultur in liberalen Gesellschaften auf die eine oder andere Weise Brisanz besitzt. Die Frage tritt in zwei verschiedenen, jedoch in der Konsequenz gleichgearteten Formen auf: einerseits als Autonomiebestrebung nationaler Minderheiten in multinationalen Staaten, auf der anderen Seite als Einwanderung in multikulturelle Gesellschaften. Kymlicka bearbeitet beide Fragen getrennt voneinander, um sie in der Schlußfolgerung auf die gemeinsame Frage zurückzuführen, ob eine lebensfähige Demokratie immer die Identifikation aller Bürger mit der Geschichte und Kultur der Mehrheitsnation voraussetzt. Seinen Ausführungen zufolge sind nationale Identität und individuelle Autonomie auf das engste miteinander verknüpft: "Ich verstehe den Standpunkt, daß die Zugehörigkeit zu einer eigenen gesellschaftlichen Kultur eine wichtige Rolle spielt, insofern sie eine sinnvolle individuelle Wahl ermöglicht und die Ich-Identität unterstützt." (45) Und weiter schreibt er zur Begründung: "Der Mythos, ein Staat könne schlicht und einfach auf demokratische Prinzipien gegründet sein, ohne eine bestimmte nationale Identität oder Kultur zu unterstützen, hat es bisher unmöglich gemacht, die Gründe zu erkennen, warum nationale Minderheiten so erpicht darauf sind, politische Einheiten zu bilden oder zu erhalten, in denen sie die Mehrheit stellen." (46) Im zweiten Teil zeigt der Autor, daß die Grundsätze einer multikulturellen Politik Integration gar nicht untergraben, sondern vielmehr ein Bestandteil staatlicher Integrationspolitik sind, zu welcher unter anderem auch die Einbürgerungs-, Bildungs- und Beschäftigungspolitik gehören. Die Kritik an multikultureller Politik ist somit einseitig, da sie auf dem Mythos eines staatsbürgerlichen Nationalismus beruht. In der Konsequenz folgert Kymlicka: "Der Nationalismus von Minderheiten und der Multikulturalismus von Einwanderern sind keine bedauerlichen Abweichungen vom liberalen Ideal des kulturell neutralen Staates, sondern vielmehr voraussagbare und zu rechtfertigende Reaktionen auf die Tatsache, daß der liberale Staat kulturell nicht neutral ist und auch nicht sein kann." (83)
Stefan Göhlert (SG)
M. A., Politikwissenschaftler, Protokollchef und Bürgerbeauftragter in der Verwaltung der Stadt Jena.
Rubrizierung: 2.23 | 2.64 | 4.42 Empfohlene Zitierweise: Stefan Göhlert, Rezension zu: Will Kymlicka: Multikulturalismus und Demokratie. Hamburg: , in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/10577-multikulturalismus-und-demokratie_12501, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 12501 Rezension drucken