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Alf Mintzel

Multikulturelle Gesellschaften in Europa und Nordamerika. Konzepte, Streitfragen, Analysen, Befunde

Passau: Wissenschaftsverlag Richard Rothe 1997 (Makroanalyse und Gesellschaftsvergleich 2); XIV, 706 S.; 58,- DM; ISBN 3-927575-55-0
Das Buch versteht sich als Nachschlagewerk, Einführung in die Thematik und Handbuch für die Bestimmung und Analyse multikultureller Gesellschaften. Schlüsselbegriffe der Soziologie, Politikwissenschaft, Sozialpsychologie, Kulturanthropologie u. a., "die von verschiedenen Autoren in unterschiedlicher Weise zur Bestimmung und Beschreibung multiethnischer und multikultureller Gesellschaften verwendet werden" (7), erläutert Mintzel umfassend im ersten Teil. Der zweite Teil ist von der zentralen Fragestellung geleitet, ob verschiedene nordamerikanische und (west-)europäische Gesellschaften als multikulturell bezeichnet werden können und inwieweit staatlich organisierte Gesellschaften dem Konstrukt einer multikulturellen Gesellschaft entsprechen. Im Ergebnis der Länderstudien zeigt sich, daß migrationsbedingte "Multikulturalität" ein Charakteristikum urbaner Verdichtungsräume, von Großstädten und Megalopolen ist (7 f.). Der Aufbau der Monographie ähnelt dem eines Sammelbandes und es werden innerhalb der verschiedenen Kapitel und Darstellungsebenen Datenmaterial, Schaubilder und eine Reihe längerer Zitate von Vertretern verschiedener Schulen wiedergegeben. Die Vielzahl von Definitionen und Theorien bildet dabei weniger einen Schmelztiegel gängiger Modelle als vielmehr eine bunte Mischung verschiedenster Ansätze. Dabei wird die Analyse neben der Kommunikations-, Bewertungs- und Appellfunktion noch am ehesten der Ordnungsfunktion der Begriffe (52) gerecht. Multikulturalität ist so schwer zu fassen, weil sie gleichzeitig Strukturen und Prozesse beschreibt, wobei sich für den Leser die Frage nach der Eigenständigkeit von Multikulturalität stellt: ob z. B. Interkulturalität eine Mischform verschiedener Kulturen oder eine neue Form von Kultur ist und ob diese im Widerspruch zum Konzept des Zusammenlebens und Miteinanders unterschiedlicher Kulturen in einem Staat oder Land steht (60). Multikulturalität stellt sich als eine offene Kategorie dar, die sich nicht alleine durch Wertesysteme, Symbole und Wissen unterschiedlicher Gesellschaften auszeichnet, sondern auch Möglichkeiten und Unmöglichkeiten des Neben- und Miteinanders der verschiedenen Gesellschaftsformen beschreibt. Für den Politikwissenschaftler bleiben die ordnungsstiftenden Merkmale von Multikulturalität unbefriedigend. Die vielen dargestellten Schemata und Modelle erwecken den Eindruck der Analyse nach dem Baukastenprinzip und das Innere der Black Box "Multikulturalität" scheint eher nach funktionalen Gesichtspunkten auflösbar als durch die Kategorisierung und Strukturierung verschiedener Teilbereiche der Multikulturalität. "Multikulturelle Gesellschaften sind im Regelfall Konfliktgesellschaften." (700) Dem Leser wird leider nur noch auf einer der letzten Seiten ein vielversprechender Hinweis auf eine weiterführende Diskussion mittels des Ansatzes von Dieter Senghaas - des zivilisatorischen Hexagons - mit an die Hand gegeben.
Thomas Morick (TM)
Dipl.-Politologe.
Rubrizierung: 2.23 | 2.35 | 2.61 | 2.62 | 2.64 Empfohlene Zitierweise: Thomas Morick, Rezension zu: Alf Mintzel: Multikulturelle Gesellschaften in Europa und Nordamerika. Passau: 1997, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/2434-multikulturelle-gesellschaften-in-europa-und-nordamerika_3131, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 3131 Rezension drucken