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Ernest Gellner

Nationalismus. Kultur und Macht. Aus dem Englischen von Markus P. Schupfner

Berlin: Siedler Verlag 1999; 184 S.; Ln., 34,90 DM; ISBN 3-88680-673-1
Dieser Band ist nicht die erste, aber vielleicht die komplexeste Äußerung des 1995 verstorbenen, aus Prag stammenden englischen Gelehrten zur Thematik. Gellners Ansatz geht im Kern auf die Überlegung zurück, daß Nationalismus kein Naturereignis ist, sondern in Europa als Resultat der Modernisierung und Industrialisierung seine spezifische Form erhalten hat, die auch anders hätte aussehen können. Je nach Ablauf der Modernisierung unterscheidet er verschiedene Zonen mit unterschiedlichen Nationalismen, die sich als unterschiedlich gefährlich erwiesen haben - wobei für Gellner jeder Nationalismus inhärent gefährlich ist. Im Islam erblickt er die Überwindung des Nationalismus zugunsten eines die Modernisierung begleitenden Fundamentalismus, im Marxismus den über den Islam hinausgehenden Versuch der Sakralisierung des Profanen, der genau hieran gescheitert sei. Das Buch ist als Essay angelegt, wartet mit weitreichenden Thesen auf (man nehme nur das Kapitel "Ein kurzer Überblick über die Menschheitsgeschichte" [32 ff.]) und liest sich stets anregend. Globale Thesen und Trends stehen neben Hypothesen, die die wesentlichen Abweichungen von eben diesen Trends zu erklären suchen. Vielleicht liegt hier auch ein Problem des Buches - auf weniger als 200 Seiten fast die gesamte Geschichte der Menschheit nicht beschreiben, sondern erklären zu wollen, ist eine große Aufgabe, die zu holzschnittartigen Vereinfachungen führen muß.
Michael Dreyer (MD)
Prof. Dr., Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.23 Empfohlene Zitierweise: Michael Dreyer, Rezension zu: Ernest Gellner: Nationalismus. Berlin: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/9939-nationalismus_11719, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 11719 Rezension drucken