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Wolfgang Bartuschat / Stephan Kirste / Manfred Walther (Hrsg.)

Naturalismus und Demokratie. Spinozas "Politischer Traktat" im Kontext seines Systems. Ein Kommentar

Tübingen: Mohr Siebeck 2014 (Politika 10); 210 S.; brosch., 44,- €; ISBN 978-3-16-153527-7
Der Band dokumentiert, nach sieben Jahren recht spät, eine Tagung des Arbeitskreises Ideengeschichte der Rechtsphilosophie in der Deutschen Sektion der Vereinigung für Rechts‑ und Sozialwissenschaften. Spinozas „Tractatus politicus“ (1677), aber eigentlich sein gesamtes Œuvre zieht seit mehreren Jahren ein großes Interesse auf sich, weil er als radikaler Aufklärer gelesen wird. Und als Vordenker einer radikalen Demokratie und einer materialistischen Kritik an gesellschaftlicher Ordnung verstanden, scheint er mittlerweile auch eine gute Projektionsfläche für diejenigen zu sein, denen Hobbes zu monarchistisch/autoritär, Rousseau zu ambivalent und Marx zu verbraucht erscheint. Über den Wert einer entkontextualisierten und letztlich lediglich politischen Lesart ließe sich sicherlich streiten. Sie hilft immerhin, den einförmigen Kanon der politikphilosophischen Klassiker etwas aufzuhellen. Generell lässt sich dem Urteil von Tilman Reitz zustimmen, dass Spinoza für „rechtlich fundierte Handlungsfreiheit, bürgernahe Staatsverwaltung und demokratische Mobilisierung“ steht, was aber nicht unbedingt zu den „wilden Traditionen [passt], in die man Spinoza gegenwärtig stellt“ (197). Die Beiträge in diesem Band, die allesamt mit Sympathie für ihren Untersuchungsgegenstand geschrieben sind, bleiben indes nüchterner. Formal verfolgen sie den Argumentationsgang Spinozas letzten, posthum veröffentlichen großen Text. Seine radikale Machttheorie kann anders als bei Hobbes nicht im Absolutismus enden, denn sie wird weder auf den Gewaltaspekt reduziert, noch ist es einem Menschen überhaupt möglich, seine Macht vollkommen abzugeben. Hierin liegt denn auch, wie Manfred Walther ausführt, eine Idee der Machtbalance, die nach Partizipation verlangt und deren Fluchtpunkt die Demokratie ist, auch wenn Spinoza gute Gründe kannte (siehe den Beitrag von Rainer Keil), skeptisch gegenüber seiner eigenen Hoffnung zu sein. Obwohl manche Beiträge vielleicht eher ein philosophisch interessiertes Publikum finden dürften, sind insbesondere diejenigen zum Souveränitätsbegriff, zu den Staatsformen und zum Völkerrecht gerade für Politikwissenschaftler nur zu empfehlen.
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Rubrizierung: 5.32 Empfohlene Zitierweise: Frank Schale, Rezension zu: Wolfgang Bartuschat / Stephan Kirste / Manfred Walther (Hrsg.): Naturalismus und Demokratie. Tübingen: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38592-naturalismus-und-demokratie_46809, veröffentlicht am 02.07.2015. Buch-Nr.: 46809 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken