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Norbert Nicoll

Neoliberalismus. Ungleichheit als Programm

Münster: Unrast 2013; 158 S.; 14,- €; ISBN 978-3-89771-534-9
Wer eine gut lesbare und übersichtlich strukturierte Einführung in die Welt des Neoliberalismus sucht, kann Norbert Nicolls Band durchaus zur Hand nehmen. Auch wenn der Autor aus seiner Attac‑Mitgliedschaft keinen Hehl macht, ist er um einen sachlichen und weitgehend neutralen Darstellungsstil bemüht. Im ersten Abschnitt nähert sich Nicoll dem diffusen Begriff des Neoliberalismus. Er verweist darauf, dass der Begriff heute fast ausschließlich im politisch linken Spektrum verwandt wird und dabei negativ konnotiert ist, obwohl er 1938, zum Zeitpunkt seiner Einführung in den Diskurs, etwas Neues und Innovatives transportieren sollte. Nach den verschiedenen Verständnisebenen des Begriffes wendet sich Nicoll kurz den unterschiedlichen Denkschulen des Neoliberalismus zu. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf dem Wirken von Friedrich August von Hayek. Interessant in diesem Zusammenhang erscheint auch der explizite Hinweis auf die Annahmen der sozialwissenschaftlichen Public Choice Theory nach James Buchanan, die sich letztlich ebenfalls auf neoliberale Grundüberlegungen zurückführen lasse. Darauf aufbauend verweist Nicoll auf das „Negativziel des Neoliberalismus“ (21) und sein negatives Menschenbild, das auf der egoistischen Nutzenmaximierung des Einzelnen fußt und damit aber zugleich die Hypertrophierung des Marktes als rationalstes Entdeckungsverfahren begründet. Verdienstvoll ist Nicolls Darstellung im zweiten Abschnitt zu den Überlegungen von Antonio Gramsci beziehungsweise des nach ihm benannten Gramscianismus. Mit diesem Ansatz, der seit einiger Zeit zunehmend in unterschiedlichen politikwissenschaftlichen Teildisziplinen rezipiert wird, wird versucht, die Hegemonie spezifischer ökonomischer Denkmuster zu erklären. Denn die Standfestigkeit und erstaunliche Verwurzelung des Neoliberalismus in der „Mitte der Gesellschaft“ sei „alles andere als ein Zufall“ (37). Bei der Reproduktion und der gesellschaftlichen Durchsetzung von Ideologien spielen Intellektuelle eine hervorgehobene Rolle. Vor diesem Hintergrund beschreibt Nicoll nachvollziehbar die weltweite Ausbreitung neoliberaler Think Tanks seit 1947 – dem Jahr, in dem die Mont Pèlerin Society durch von Hayek und andere gegründet wurde. Explizit richtet sich Nicoll dabei gegen verschwörungstheoretische Konstrukte, die diese Gesellschaft als Spinne eines inzwischen weltweiten neoliberalen Netzwerkes deuten. In Abschnitt 3 zeigt Nicoll die „Metamorphose der Ökonomik“ (69) auf, die sich durch die Verbreitung neoliberaler Theorien in den vergangenen Jahrzehnten – gerade auch in Deutschland – vollzogen hat. Die Abschnitte 4 und 5 widmen sich weiteren Faktoren, die den Aufstieg des neoliberalen Paradigmas begünstigt haben, und der Frage, wie diese Ansätze in der Praxis der Märkte verwirklicht wurden.
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Rubrizierung: 2.225.432.613.12.3 Empfohlene Zitierweise: Henrik Scheller, Rezension zu: Norbert Nicoll: Neoliberalismus. Münster: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38058-neoliberalismus_44042, veröffentlicht am 12.02.2015. Buch-Nr.: 44042 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken