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Gerfried Sperl (Hrsg.)

Neoliberalismus

Wien: Czernin Verlag 2015 (Phoenix – Essays, Diskurse, Reportagen); 109 S.; softc., 14,- €; ISBN 978-3-7076-0551-8
Diese Aufsätze und Essays stellen einen der kontroversesten Begriffe unserer Gegenwart in den Mittelpunkt: den Neoliberalismus. Ist er nun die nötige Befreiung der Märkte von staatlicher Gängelung oder nur ein sehr subtiles Instrument zur Beherrschung ganzer Gesellschaften? „Der ‚freie Markt’ im Sinne eines von jeglicher Kontrolle befreiten Marktes“, so Gerfried Sperl in seinem Editorial, „überzieht nicht nur das politische Leben und die wirtschaftlichen Entwicklungen. Seine Fantasien verbreiten sich in alle Lebens‑ und Umgangsformen.“ (7) Angesichts einer solcherart aufgeladenen Ausgangslage bedarf es der Orientierung, die sich bewusst von Polemiken distanziert. Philipp Ther unternimmt in seinem Beitrag den Versuch einer entsprechenden Verortung: Zunächst rekonstruiert er die Entwicklung der Theorienfamilie des Neoliberalismus seit den 1930er‑Jahren über die Mont‑Pélerin‑Society bis hin zu Milton Friedman sowie die Hauptlinien gegenwärtiger Kritik – etwa bei Philip Mirowski, Joseph Stiglitz oder Elisabeth Dunn. Deutlich werde, dass sich der Neoliberalismus durch eine ausgeprägte „Anpassungsfähigkeit“ (10) auszeichne, sodass eine Definition im klassischen wissenschaftlichen Sinne kaum möglich sei. Daher konzentriert sich Ther in seinen weiteren Ausführungen auf die Anwendungen neoliberaler Politiken seit den 1980er‑Jahren, wie sie bereits 2007 von Naomi Klein in ihrem Buch „Die Schock‑Strategie“ (siehe Buch‑Nr. 33203) ausführlich dargestellt wurden. Sein Fazit: Der Neoliberalismus sei nicht bloß eine wirtschaftliche Programmatik, sondern müsse auch „als kommunikatives Phänomen [...], als Begleiterscheinung und Antriebskraft der Globalisierung“ (36) insgesamt verstanden werden, womit gleichsam seine Allgegenwärtigkeit nachvollziehbar werde. Einen gänzlich anderen Akzent setzt Regula Stämpfli, die sich in ihrem Beitrag an der Selbstbeschreibung der ehemaligen Bundesfamilienministerin Kristina Schröder als „Feministin“ (95) abarbeitet. Daraus resultiert, neben einigen unguten Erinnerungen an eine frauen‑ und familienpolitische Durststrecke, nicht zuletzt auch die Einsicht, dass es der Neoliberalismus als kommunikative Strategie verstanden hat, „klassische politische Fragen in Privatrecht“ (100) zu transformieren. Dieser Befund ist nicht nur gegenwartsdiagnostisch interessant, sondern eröffnet zudem auch den Weg zu gegenhegemonialen Perspektiven und Strategien.
{LEM}
Rubrizierung: 2.225.43 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Gerfried Sperl (Hrsg.): Neoliberalismus Wien: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39350-neoliberalismus_47735, veröffentlicht am 04.02.2016. Buch-Nr.: 47735 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken