Skip to main content
Ulrich Kasparick

Notbremse. Ein Politjunkie entdeckt die Stille

Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2010; 222 S.; geb., 17,95 €; ISBN 978-3-579-06768-1
Der Autor, studierter Theologe, trat nach der Wende 1989 in die SPD ein, wurde Bundestagsabgeordneter und schließlich Staatssekretär in verschiedenen Ministerien. In diesem Buch schildert er die Politiker als „Junkies“ und „Abhängige“ (8) von Macht, Medien und dem Gefühl des Gebrauchtwerdens. Die Politik sei ein Raum, in dem nur das hohe Tempo des Politikbetriebs herrsche. Außerdem habe sie die Tendenz, eine gewissermaßen selbstproduzierende Eigendynamik zu entwickeln, die sich in einer Art von Nicht-Kommunikation niederschlage. Für Nichtwähler äußert der Autor insofern Verständnis, da die Enthaltung „ein im Grunde richtiger Reflex auf eine immer inhaltsleerer werdende politische Kommunikation“ (14) sei, deren Akteure an einem Dialog uninteressiert seien. Kasparick illustriert die Geschwindigkeit im politischen Alltag anhand dreier Tagesprotokolle einer Asienreise, bei der er als Staatssekretär von Treffen zu Essen, zu Besichtigungen, zu Vorträgen etc. so gehetzt wurde, dass dem Leser nach mehreren Seiten Protokoll tatsächlich der Überblick abhanden kommt. Politik, so ist die Überzeugung des Autors, müsse entschleunigt werden, ja mehr noch, man müsse Freiräume für Momente der Stille und der inneren Einkehr wie beispielsweise durch Meditationen schaffen. Kasparick bezeichnet die Gesellschaft als „suizidal“ und „selbstzerstörerisch“ (26), sie zerstöre die Natur und mache die Welt derart „zu einem Spiegel unseres völlig kranken Innenlebens: auf Wachstum gerichtet, einem wild wuchernden Krebsgeschwür gleich“ (202). Fundamentale Probleme wie der Klimawandel oder die Armut könnten unter den Bedingungen von Medienabhängigkeit und Geschwindigkeit nicht bewältigt werden. Für die sachliche Auseinandersetzung bleibe keine Zeit. Als Beispiel nennt er einen FDP-Antrag zur Batterieförderung, der unter der rot-grünen Bundesregierung abgelehnt wurde, obwohl er in der Sache richtig gewesen sei. Kasparicks Ermahnung zu mehr Unabhängigkeit und auch Zeit in der Politik ist sicher begrüßenswert. Doch es scheint fraglich, ob die Fragen der so komplexen und nun einmal auch beschleunigten Welt allein durch mehr Einkehr und Stille gelöst werden können.
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.3 | 2.331 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Ulrich Kasparick: Notbremse. Gütersloh: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32710-notbremse_39048, veröffentlicht am 25.10.2010. Buch-Nr.: 39048 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken