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Lucia A. Reisch / Julia Sandrini

Nudging in der Verbraucherpolitik. Ansätze verhaltensbasierter Regulierung

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2015 (Schriftenreihe des Instituts für Europäisches Wirtschafts- und Verbraucherrecht e. V. 36); 125 S.; brosch., 34,- €; ISBN 978-3-8487-1723-1
Nudging – also der gezielte Versuch, Menschen durch mehr oder minder offensichtliche Anreize zu einem bestimmten Verhalten zu bringen – ist eine überaus umstrittene Praxis staatlicher wie privater Einflussnahme auf unser tägliches Verhalten. Die aufgedruckte Fliege im Pissoir, die „Das will doch wirklich Keiner“‑Kampagne der DB Regio, die zu erwünschtem Verhalten im öffentlichen Personennahverkehr führen soll, und auch die Rückzahlungsanreize der Krankenkassen beim Nachweis sportlicher Betätigung sind bei Weitem nicht so harmlos, wie sie scheinen. Kritiker dieses „libertären Paternalismus“ (19) sprechen mitunter gar von einer Entmündigung der Bürger_innen, wenn diese – mehr oder minder subtil – auf einen sozial oder politisch erwünschten Weg ‚gestupst’ werden sollen. Nudging in der Verbraucherpolitik, wie es die Autor_innen eher deskriptiv thematisieren, wird in diesem Band als gegebener Weg der Einflussnahme für die europäische Verbraucherpolitik systematisch erschlossen. Dabei geht es sowohl um die Darstellung der mit Nudging befassten Akteur_innen und Institutionen als auch um konkrete Anwendungsfelder, etwa in den Bereichen Finanzen, Markt und Recht sowie Energie. Gerade der letztgenannte Bereich sei in doppelter Hinsicht steuerungsbedürftig, denn Verbraucher_innen entstünden für ihren Energieverbrauch immer höhere finanzielle Kosten, was sich gerade auf einkommensschwache Schichten auswirke. Zudem erweise sich die Art der – zumeist immer noch konventionellen – Energiegewinnung als zunehmend ökologisch wie auch sozial schädlich und damit als mit hohen gesellschaftlichen Folgekosten verbunden. In diesem Zusammenhang sei etwa das EU‑Energielabel ein gelungenes Beispiel, das komplexe Geräteinformationen in überaus reduzierter Form präsentiere und damit einen nachhaltigen Effekt auf Kaufentscheidungen zugunsten energiesparender Geräte erzielt habe. Auch im Bereich der Kantinenwirtschaft habe durch Reduktion der Tellergrößen beziehungsweise schon durch die Bereitstellung kleinerer Teller die Menge der Lebensmittelabfälle stark reduziert werden können. Jedoch seien auch negative Effekte festzustellen, etwa dann, wenn mit normativem Feedback gearbeitet werde: Während Konsumenten, die mit ihrem Verbrauch über der Norm liegen, tatsächlich Einsparungen vornehmen, orientierten sich ohnehin schon sparsame Konsumenten mit ihrem Verhalten genau in die andere Richtung.
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Rubrizierung: 2.212.2622.2632.612.642.3434.3 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Lucia A. Reisch / Julia Sandrini: Nudging in der Verbraucherpolitik. Baden-Baden: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38880-nudging-in-der-verbraucherpolitik_47340, veröffentlicht am 17.09.2015. Buch-Nr.: 47340 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken