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Nicole Weisheit-Zenz

Öffentliche Meinung im Dienste des Regimes? Soziale Kontrolle und 'Opposition' in der DDR in den letzten Jahren ihres Bestehens

Berlin: Lit 2010 (Gesellschaftspolitische Schriftenreihe der Begabtenförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. 4); 530 S.; 44,90 €; ISBN 978-3-643-10716-9
Diss. Mainz; Gutachter: E. Lamp, J. Wilke. – „Wie funktionierte das DDR-Regime und wie nutzte es in den letzten fünf Jahren seines Bestehens Mechanismen der sozialen Kontrolle aus?“ (16) Die Autorin konzentriert sich ausgehend von dieser Fragestellung zum einen auf den Staat als Akteur, zum anderem aber auch auf die „mehr oder weniger ‚legitimen’ Ausdrucksformen“ (39), die jedem Bürger im Alltagsleben zur Verfügung standen, um seinen Unmut kundzutun. Weisheit-Zenz stellt fest, dass das Regime mit großem Aufwand das Bild einer heilen Welt des Sozialismus vermittelte, vor allem mithilfe einer „staatlich manipulierten Berichterstattung“ und durch „‚ritualisierte Konformitätsbekundungen’“. Sie schreibt weiter, dass die Menschen als Vollstrecker dieser öffentlichen Meinung fungierten, da die Meinung nicht nur der Vertreter des Regimes, sondern grundsätzlich die der Mitmenschen „eine Richtschnur für Handlungsentscheidungen“ (169) war. Das Alltagsleben war von sozialer Kontrolle durchzogen. Ausgangspunkt für nichtkonforme Meinungsäußerungen war dann allerdings der „krasse Widerspruch“ (219) zwischen dem Propagierten und dem täglich Erlebten. „Zunächst arrangierte man sich noch nach außen hin, doch innerlich entzog man sich mehr und mehr dem staatlichen Einfluss.“ (364) Die Autorin findet diesen zunehmenden Eigensinn in verschiedensten Ausdrucksformen, im einfachen Meckern und Lästern, in den Eingaben und Leserbriefen und schließlich in Flugblättern, auf Kundgebungen oder auch durch Flucht. Berücksichtigt werden in dieser Darstellung außerdem künstlerische Formen, etwa die Kritik zwischen den Zeilen, die oppositionelle Samisdat-Literatur sowie die Satire in Theater und Kabarett. Literatur, Kunst und Musik verloren ihre besondere Funktion als Anknüpfungspunkte für die gesellschaftliche Kommunikation erst, als freiere Möglichkeiten der öffentlichen Meinungsäußerungen, etwa auf den Demonstrationen, entstanden. Weisheit-Zenz stellt fest, dass das DDR-Regime gefangen war „in selbst erschaffenen Mythen und Ideologien. Das hatte die Herrschenden unfähig gemacht, die unangenehme Realität zu erkennen und angemessen zu reagieren“ (442). Die Bürger aber, die sich lange in einem „Klima der Furcht und Abhängigkeit“ angepasst hatten, beteiligten sich spätestens 1989 häufiger und selbstsicherer an Gesprächen über Missstände – „sie glaubten, in Übereinstimmung mit dem Konsens der öffentlichen Meinung zu stehen“ (443). Das Regime musste schließlich, so die Autorin, vor der Stärke der öffentlichen Meinung kapitulieren.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.314 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Nicole Weisheit-Zenz: Öffentliche Meinung im Dienste des Regimes? Berlin: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32739-oeffentliche-meinung-im-dienste-des-regimes_39102, veröffentlicht am 11.01.2011. Buch-Nr.: 39102 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken