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John Dickie

Omertà. Die ganze Geschichte der Mafia. Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta. Aus dem Englischen von Irmengard Gabler

Frankfurt a. M.: S. Fischer 2013; 892 S.; 24,99 €; ISBN 978-3-10-013910-8
Die Bedeutung der drei großen kriminellen Vereinigungen – die sizilianische Mafia, die neapolitanische Camorra und die kalabrische 'Ndrangheta – für den italienischen Staat und die Gesellschaft ist nicht zu unterschätzen, so John Dickie. Der britische Historiker erläutert die Grundlage des Einflusses: „Mit Hilfe der Gewalt und des großen Handlungsspektrums, das sie ermöglicht, korrumpieren die Mafias die demokratischen Institutionen der Republik, beschneiden drastisch die Lebenschancen ihrer Bürger und setzen ihre eigennützigen Machenschaften an die Stelle des Rechts.“ (14) Ihre Geschichte sei geprägt von ihren eigenen Verklärungen, Verzerrungen und Mythen, umso wichtiger für das Verständnis und „von erschreckender Relevanz für die Gegenwart“ (16) sei eine sachliche Offenlegung ihrer Entstehung und Entwicklung. Dickie wählt dafür einen vergleichenden Ansatz, um neben den Gemeinsamkeiten und Unterschieden der drei Mafias besonders die Beziehungen untereinander zu untersuchen. Er bedient sich dabei größtenteils einer chronologischen Darstellung, wobei er die Geschichte Italiens mit der der Organisationen verknüpft. Im ersten Teil des Bandes beginnt der Autor mit der Entstehung der Camorra Mitte des 19. Jahrhunderts und endet mit dem „Vermächtnis des Faschismus“ etwa hundert Jahre später: „Im Chaos von Krieg und Befreiung war das Land schnell mit der Realität einer endemischen kriminellen Macht konfrontiert, die sich hinter dem tumben Propagandagetöse des Regimes versteckt hatte.“ (368) Im zweiten Teil widmet sich Dickie den Entwicklungen im heutigen Italien und insbesondere den Beziehungen zwischen dem Staat und dem organisierten Verbrechen. Über Silvio Berlusconi beispielsweise schreibt er, dass viele seiner Veränderungen, wie etwa die Entkriminalisierung von Bilanzfälschungen, den Mafias – wenn auch eventuell ungewollt – Vorteile verschafften. Auch wenn Dickie der italienischen Polizei und Justiz im beginnenden 21. Jahrhundert ein positives Zeugnis bei der Bekämpfung der Mafia ausstellt, betont er deutlich die Schwäche des Staatsapparats und der Gesellschaft, die sich in Patronage, Korruption, Ineffizienz und Kungelei zeige: „[S]olange Italien im derzeitigen Zustand verharrt, liegt ein dauerhafter Sieg über die Cosa Nostra, die Camorra und die 'Ndrangheta in weiter Ferne.“ (795) Der eindrucksvolle Band wird durch ein umfangreiches Quellen‑ und Literaturverzeichnis abgerundet.
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Rubrizierung: 2.612.222.232.1 Empfohlene Zitierweise: Simone Winkens, Rezension zu: John Dickie: Omertà. Frankfurt a. M.: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38937-omert_44751, veröffentlicht am 08.10.2015. Buch-Nr.: 44751 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken