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Klaus Gallas (Hrsg.)

Orient im Umbruch. Der Arabische Frühling und seine Folgen

Halle (Saale): mdv Mitteldeutscher Verlag 2014; 160 S.; brosch., 12,95 €; ISBN 978-3-95462-308-2
In diesem Band werden die vielschichtigen – und für den politisch interessierten Beobachter mitunter auch sehr frustrierenden – gegenwärtigen Entwicklungen im Nahen und Mittleren Osten sowie in verschiedenen Ländern Nordafrikas allgemein verständlich aufbereitet. Einher geht für den Herausgeber damit die Hoffnung auf eine Sensibilisierung der politischen Öffentlichkeit in Deutschland, damit diese nicht wegschaue und verstehe, „dass Deutschland in der Weltpolitik eine moralische Verantwortung hat, die zum Handeln verpflichtet“ (9). Muriel Asseburg liefert in ihrem Beitrag zum syrischen Bürgerkrieg – der nicht zuletzt wegen der Aktivitäten des sogenannten Islamischen Staats (IS) gegenwärtig unter besonderer Beobachtung steht – eine niederschmetternde Bestandsaufnahme. Was, ähnlich wie in diversen Staaten Nordafrikas, als ziviler Protest gegen „soziale Ungerechtigkeit und mangelnde Perspektiven für die junge Bevölkerung“ (97) begann, traf auf ein hochgradig repressives Regime. Diese Konstellation führte dazu, dass aus Syrien nach gut dreieinhalb Jahren Bürgerkrieg ein – in politischer, infrastruktureller wie nicht zuletzt auch menschlicher Hinsicht – weitgehend zerstörtes Land geworden ist, um dessen Perspektive es mehr als schlecht steht. Entweder werde, so Asseburg, eine der beiden Bürgerkriegsparteien gewinnen, oder aber der Krieg werde weitergehen – Ende offen. Die dritte Option schließlich, die weite Teile der internationalen Krisendiplomatie bereits zu militärischen Interventionen gedrängt hat, ist dabei noch beunruhigender: der Zerfall des Staates und das Entstehen eines radikal‑islamistischen Kalifats. Das ist sicher nur ein Extremfall in den Folgeentwicklungen des Arabischen Frühlings, jedoch besteht zu Optimismus, wie Jochen Bittner in seinem Beitrag unmissverständlich deutlich macht, nun wirklich auch in breiterem Maßstab keinerlei Anlass: „Seien wir realistisch: Der Arabische Frühling hat sich vielerorts in einen Arabischen Herbst verwandelt“ (145). Ob der Iran, wie Bittner fordert, Saudi Arabien als zentralen Ansprechpartner westlicher Staaten in der Region ablösen wird, hängt nicht zuletzt mit dessen weiterer innenpolitischer Entwicklung zusammen. Ob also all diese Szenarien und Konflikte – wie der Herausgeber hofft – in eine Veränderung der globalen Interventionspraxis münden, wonach „das Eingreifen in die ‚inneren Angelegenheiten’ eines Staates unter ganz bestimmten Voraussetzungen [...] durch eine UN‑Resolution international bindende Wirkung erhält und legitimiert wird“ (9), steht auf einem ganz anderen Blatt.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.63 | 2.67 | 2.2 | 2.22 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Klaus Gallas (Hrsg.): Orient im Umbruch. Halle (Saale): 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37656-orient-im-umbruch_46076, veröffentlicht am 09.10.2014. Buch-Nr.: 46076 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken