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Thomas Neuner

Paris, Havanna und die intellektuelle Linke. Kooperationen und Konflikte in den 1960er Jahren

Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft 2012; 389 S.; brosch., 44,- €; ISBN 978-3-86764-339-9
Diss. Köln. – Die Geschichte dieses Dreiecksverhältnisses ungleicher Akteure – das revolutionäre Kuba, die französischen Intellektuellen und die Regierung in Paris – muss Neuner als eine gescheiterte erzählen. Nur in einem besonderen historischen Zeitfenster hatte diese Konstellation überhaupt entstehen können, zu übermächtig erwies sich dann aber der Kalte Krieg, in dem klare Positionierungen eingefordert und unter dem Eindruck ökonomischer Zwänge auch abgegeben wurden. Das revolutionäre Kuba erhob, so Neuner, besonders in den Jahren 1966 bis 1968 „einen transnationalen Führungsanspruch“ (296) und zielte – jenseits des sowjetischen Marxismus – auf ein Ende der US-Hegemonie und den Wandel der globalen Ordnung. Mit dieser politischen Stoßrichtung erwarb sich Kuba viele Sympathien, auch französische Intellektuelle wie Sartre besuchten die Insel und warben für die Revolution – mit klaren Absichten: „Ausgangspunkt aller Solidaritätsvereinigungen, die in den 1960er Jahren in Frankreich zur Unterstützung der Regierung in Havanna entstanden, war die Annahme, dass es sich in Kuba um ein sozial-emanzipatorisches Projekt zur Lösung der Entwicklungsfrage handelte.“ (201 f.) Zugleich aber suchte Kuba – auch im Westen – nach wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Kooperationsmöglichkeiten, um das eigene Land besser entwickeln zu können. Nach dem Ende des Algerienkrieges wurde auch die französische Regierung zum Ansprechpartner und Präsident de Gaulle wollte ebenfalls gerne die US-Hegemonie unterlaufen. Die französischen Intellektuellen standen ihrer eigenen Regierung gleichwohl kritisch gegenüber. Neuners Darstellung ist zu entnehmen, dass die französische Regierung pragmatisch dachte – Kuba war einige Zeit ein durchaus nicht unwichtiger Handelspartner, vereinnahmen ließ man sich nicht. Die französischen Intellektuellen aber, die Kuba so viel Wohlwollen entgegenbrachten, sahen sich 1968 bitter enttäuscht, als Castro die Niederschlagung des Prager Frühlings rechtfertigte. Damit zog er eine scharfe Trennlinie zwischen sich und nicht nur den moskauuntreuen Reformbewegungen im Osten, sondern auch den linken sozialen Bewegungen im Westen. Aber da waren ihm die französischen Intellektuellen mit ihrem Anspruch auf freie Meinungsäußerung sowieso schon lästig geworden. Neuner legt insgesamt eine interessante Analyse eines Beziehungsgeflechts vor, das nur auf den ersten Blick und für eine kurze Zeit von zumindest ähnlichen Absichten geprägt war, dann aber doch an uneinlösbaren politischen Zielen scheiterte.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 4.2 | 2.65 | 2.61 | 2.22 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Thomas Neuner: Paris, Havanna und die intellektuelle Linke. Konstanz: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35003-paris-havanna-und-die-intellektuelle-linke_42114, veröffentlicht am 09.08.2012. Buch-Nr.: 42114 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken