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Frank Decker

Parteien unter Druck. Der neue Rechtspopulismus in den westlichen Demokratien

Opladen: Leske + Budrich 2000; 384 S.; kart., 68,- DM; ISBN 3-8100-2860-6
Erweiterte Habilitationsschrift Hamburg; Gutachter: J. Hartmann, M. Hereth, U. Thaysen. – Was begründet den relativen Erfolg der neuen Rechtsparteien in der westlichen Welt, etwa der Front National in Frankreich, der Haiderschen FPÖ in Österreich oder der italienischen Lega Nord? Was verhindert gleichartige Erfolge der Republikaner oder der Statt-Partei in der Bundesrepublik? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt dieser qualitativen und vergleichenden Studie. Decker beschränkt sich dabei aber nicht auf die genannten Staaten, sondern unternimmt – abweichend von bisherigen mit Fallbeispielen arbeitenden Untersuchungen – eine nahezu flächendeckende Analyse, die den skandinavischen Raum, die Schweiz, Belgien, die USA und Kanada einschließt. Zudem möchte der Autor den Beweis erbringen, "dass eine Analyse der neuen Rechtsparteien mit Hilfe des Populismuskonzepts nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll und [... bisweilen] sogar zwingend ist" (15). Die Studie gliedert sich in drei Hauptteile: Den Beginn macht ein theoretisches Kapitel (etwa 52 Seiten), das "unter Rückgriff auf real- und ideengeschichtliches Material" (16) der Herausarbeitung des besonderen populistischen Charakters der neuen Rechtsparteien dient. Der zweite, ungefähr 120 Seiten umfassende Teil enthält die Fallstudien. Decker analysiert sie nach einem Muster, das zwischen angebotsseitigen und nachfrageseitigen Faktoren unterscheidet. Im dritten Teil (ca. 130 Seiten) beginnt er mit dem eigentlichen Vergleich. Er präsentiert hier unter anderem eine Typologie rechtspopulistischer Parteien, die zwischen ökonomischen, kulturellen und politisch-institutionellen Vertretern unterscheidet, und diskutiert vorhandene Erklärungsansätze, wie etwa jenen, der die Wahl rechtpopulistischer Parteien als Protestverhalten ausweist. Zudem wird in diesem Kapitel nach den Issues des Protestes gefragt, von dem der Populismus profitiert, sowie nach den Auswirkungen der "sozial-strukturellen Wandlungsprozesse in den westlichen Demokratien auf das Wählerverhalten und die Gestalt der Parteiensysteme" (20). Das Buch endet mit einem Ausblick auf die Zukunftsfähigkeit des Rechtspopulismus. Der Autor arbeitet als Ergebnis unter anderem heraus, dass die nachfrageseitigen Faktoren mit den Veränderungen der sozialen Konfliktstruktur zusammenhängen – Decker stellt hier auf die Cleavage-Theorie von Lipset und Rokkan ab -, die in eine längerfristige Neuausrichtung des Wählerverhaltens münden. Infolge von Modernisierungsprozessen kommt es sowohl zu einer starken Pluralisierung der Konflikte als auch zu einem Bedeutungszuwachs der Wertecleavages zum Nachteil der sozial-ökonomischen. Die traditionellen Bindungen an die Volksparteien schwächen sich ab, die Milieus verlieren an Einfluss. "Der Bedeutungszuwachs der Wertekonflikte führt darüber hinaus auch zu einem partiellen 'realignment', zieht also eine dauerhafte Umgruppierung der Wählerpräferenzen nach sich." (329) Die Zeche zahlen vor allem die Parteien des rechten Mainstreams. Auf der Seite des Angebots untersucht der Autor institutionelle, situative sowie handlungs- beziehungsweise akteursbezogene Bedingungen. Bei den situativen Faktoren, die auf die politischen Umstände zielen, "unter denen rechtspopulistische Parteien groß geworden sind" (330), entdeckt Decker eine Expansion des Möglichkeitsraums populistischer Parteien. Besondere Bedeutung kommt den Handlungs- und Akteursfaktoren zu: "Populistische Parteien können elektoral erfolgreich sein, obwohl es in ihrer Organisation chaotisch zugeht oder sie kein überzeugendes Programm vorzuweisen haben. Soweit solche Parteien aus Protestgründen gewählt werden, tritt ihr personelles und politikinhaltliches Angebot als Argument bei der Stimmabgabe zurück (331). Entscheidend ist dann nicht wofür, sondern wogegen diese Partei steht. Decker charakterisiert die in Rede stehenden Parteien in Anlehnung an Panebianco als charismatische Organisationen. Parteien dieses Typs "zeichnen sich dadurch aus, dass [... ihre] Identität mit derjenigen des Führers vollständig verschmilzt. Der Führer gründet die Partei, gibt ihr die ideologischen Ziele vor, schart die Anhänger der Partei um seine Person." Dies bleibt freilich nicht ohne Wirkung für die (Miss)-Erfolgsgeschichte der Organisation: "Die Fallstudien haben gezeigt, dass die Entstehung und der elektorale Durchbruch des neuen Rechtspopulismus sich ausnahmslos mit der Leistung einzelner Führungspersönlichkeiten verbinden." (331) Weil charismatische Parteien aber über eine inhärente Instabilität verfügen und sich die charismatischen Erfolgsbedingungen "im Laufe der Zeit verbrauchen, droht die Attraktivität der Partei ab einem bestimmten Punkt nachzulassen" (331). Damit schwindet auch der innerparteiliche Glaube an die (dominante) Führungsfigur. Tritt sie ab, dann hängt das Überleben der Partei davon ab, ob es ihr gelingt, Ersatz zu schaffen beziehungsweise ihre Organisation auf eine neue institutionelle Grundlage zu stellen (wie beispielsweise die Lega Nord oder die FPÖ). Glückt ihr diese Transformation nicht, bedeuten interne Auseinandersetzungen und Richtungskämpfe ihr Aus (wie beispielsweise bei der Statt-Partei oder den Republikanern). Folglich erkennt Decker in der Partei-Organisation die "Achillesferse" des neuen Populismus.
Detlef Lemke (Le)
Dipl.-Politologe.
Rubrizierung: 2.22 | 2.331 | 2.61 | 2.64 Empfohlene Zitierweise: Detlef Lemke, Rezension zu: Frank Decker: Parteien unter Druck. Opladen: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/12797-parteien-unter-druck_15329, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 15329 Rezension drucken