Skip to main content
Costas Douzinas

Philosophie und Widerstand in der Krise. Griechenland und die Zukunft Europas. Aus dem Englischen übersetzt von Andreas Förster

Hamburg: LAIKA Verlag 2014 (LAIKAtheorie); 311 S.; 24,- €; ISBN 978-3-944233-09-3
Costas Douzinas ist davon überzeugt, dass in den mittlerweile etwas ins Stocken gekommenen mediterranen Widerstandsbewegungen die Chance auf eine „neue Internationale“ (13) steckt. Weil sich der traditionelle Marxismus aber als „unfähig“ (19) erwiesen habe, testet Douzinas an seiner Statt politische Theorieformen aus dem Umkreis des Poststrukturalismus und verfolgt mit ihnen den Verlauf der griechischen Finanzkrise nach. Versuche in Anlehnung an Foucault, den in der Krise auftauchenden „Rassismus als Staatsmechanismus“ (61) zu beschreiben oder das Spezifische des Finanzsystems als „biopolitischen Kapitalismus“ (50) zu fassen, lassen allerdings keinen stringenten theoretischen Mehrwert erkennen. Douzinas wählt sehr bewusst die größtmögliche Nähe zu den Widersprüchen in der Situation des Landes. Dabei schafft er es nicht immer, sich von dem Moralismus frei zu machen, den er selbst als „Kompagnon der Biopolitik“ (58) bezeichnet, und lässt sich dazu hinreißen, mit der besonderen Verschlagenheit des Finanzsektors („Der Gläubiger ist, anders als der Fabrikchef, aus dem Produktionsprozess entrückt und hat kein Mitgefühl“, 42) oder mit dem Mangel an sozialem Zusammenhalt („Die Austerität und die Gleichgültigkeit der oberen Klassen zerstören Griechenland“, 61) zu argumentieren. Eben dieser Mangel wird daraufhin zum theoretischen Schlüsselbegriff erhoben: Unter Rückgriff auf Durkheims Konzept der sozialen Anomie, also der um sich greifenden Gesetzlosigkeit durch Störungen in der Arbeitsteilung, macht sich Douzinas an die Analyse des griechischen „nationalen Ethos“ (79), der einerseits sowohl Element der Durchsetzung des Neoliberalismus sei, andererseits aber auch als Quelle des Widerstands wirke. Nur letztere Seite wird allerdings im Weiteren mit dem Leitbegriff der Anomie konfrontiert, und so schleicht sich über die Kritik dieser Anomie im Umkehrschluss stets ein Hochhalten des traditionellen Zusammenhalts, der Familie, der griechischen Besonderheiten, der griechischen Wiege der Demokratie und so fort ein. Wer sich davon zumindest nicht unmittelbar abschrecken lässt, kann den Band als eine Sammlung von Versuchen sehen, neuartige politische Theorien implizit an den bestimmten Herausforderungen der gegenwärtigen Weltlage zu messen, keinesfalls jedoch als Grundlagentext für praktische Widerstandsprojekte oder gar als Programmschrift der „radikalen Philosophie“ (17) als solcher.
Florian Geisler (FG)
B. A., Politikwissenschaftler, Student, Goethe Universität Frankfurt am Main.
Rubrizierung: 2.612.22.225.42 Empfohlene Zitierweise: Florian Geisler, Rezension zu: Costas Douzinas: Philosophie und Widerstand in der Krise. Hamburg: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37617-philosophie-und-widerstand-in-der-krise_45690, veröffentlicht am 02.10.2014. Buch-Nr.: 45690 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken