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Jerzy J. Wiatr

Polish-German Relations. The Miracle of Reconciliation

Opladen u. a.: Barbara Budrich Publishers 2014; 110 S.; hardc., 19,90 €; ISBN 978-3-8474-0608-2
Jerzy J. Wiatr benutzt das Wort Wunder, wenn er in der Einleitung seiner Untersuchung der polnisch‑deutschen Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert von der Aussöhnung beider Staaten schreibt. Der lange Weg dorthin ist sein zentrales Thema: In sechs von sieben Kapiteln zeichnet der Staatsmann, Soziologe und Politikwissenschaftler die Entwicklung der Beziehungen zwischen Polen und seinem Nachbarn im Westen nach, wobei der Fokus auf der Analyse der gegenseitigen Wahrnehmung beider Staaten und Völker liegt. Vorurteile und Stereotype werden von Wiatr zunächst vor dem Hintergrund beiderseitiger Nationalismen, des deutschen Expansionsdrangs, der polnischen Bemühungen um die Erlangung und Bewahrung von Staatlichkeit und der Konsequenzen des Zweiten Weltkrieges analysiert. Diese führten vor allem dazu, so der Autor, dass „die Menschen auf beiden Seiten dazu neigten, lediglich ihr eigenes Leid zu erinnern und [...] nur sehr wenige in der Lage waren, die polnisch‑deutschen Beziehungen aus einer längeren, historischen Perspektive zu betrachten“ (22). Die „Saat der Aussöhnung“ (34) wurde in beiden Staaten anfänglich vor allem durch Einzelpersonen verteilt, in den 1960er‑Jahren waren unterschiedliche Initiativen der Kirchen in beiden Ländern von Bedeutung. In der Bundesrepublik wurden dann vor allem mit dem Regierungswechsel und der Ostpolitik, die mit dem Warschauer Vertrag in der Anerkennung der Oder‑Neiße‑Linie mündete, die Weichen neu gestellt. Als ersten kritischen Moment in den polnisch‑deutschen Beziehungen nach dem Ende des Ost‑West‑Konflikts sieht Wiatr die Frage der NATO‑Osterweiterung, bei der sich die deutsche Seite zu Warschaus Irritation anfänglich russischen Bedenken gegenüber einer Erweiterung verständlich zeigte, gleichzeitig aber gegenüber Polen, Tschechien und Ungarn Unterstützung für deren Mitgliedschaft in der transatlantischen Allianz signalisierte. Solche Momente der Irritation kamen nach Wiatr in den jüngeren Beziehungen zwischen beiden Staaten immer wieder vor, so unter anderem im Zusammenhang mit dem Irak‑Krieg 2003, dem Bau der Ostseepipeline von Russland nach Deutschland und den anti‑deutschen Tönen im polnischen Wahlkampf von 2005. Für den Autor zeigen sie, dass es gegenüber jenen wachsam zu sein gilt, die „mehr als nur bereit sind, den Prozess der Aussöhnung auf dem Altar der eigenen Vorurteile oder Interessen zu opfern“ (67). Für Wiatr ist die Aussöhnung zwischen Polen und Deutschland von universeller Bedeutung und damit über die bilateralen Beziehungen beider Staaten hinaus beispielhaft. Sie bleibt dennoch ein unvollendeter Prozess.
Christian Patz (CPA)
M.A., Politikwissenschaftler, wiss. Mitarbeiter, Institut für Sozialwissenschaften, Fachbereich Politikwissenschaft, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
Rubrizierung: 4.224.212.613.1 Empfohlene Zitierweise: Christian Patz, Rezension zu: Jerzy J. Wiatr: Polish-German Relations. Opladen u. a.: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37786-polish-german-relations_46118, veröffentlicht am 13.11.2014. Buch-Nr.: 46118 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken